Der neue Parlamentspräsident Venezuelas, Henry Ramos Allup, hat am Mittwoch drei Politiker des Oppositionsbündnisses vereidigt, deren Wahl vom Obersten Gericht suspendiert worden war. Damit erreichten die Konservativen die Zweidrittel-Mehrheit im Parlament.
Mit einer Zweidrittel-Mehrheit kann die Opposition Verfassungsänderungen durchsetzen, ranghohe Richter ersetzen oder ein Amtsenthebungsverfahren gegen Staatschef Maduro anstrengen. Die sozialistische Fraktion erkannte die Vereidigungen jedoch nicht an.
Mit der Vereidigung der suspendierten Parlamentsabgeordneten hat die konservative Opposition in Venezuela die sozialistische Regierung herausgefordert. Der ehemalige Parlamentspräsident Diosdado Cabello, der nun Fraktionschef der Sozialisten ist, nannte die Vereidigung vom Mittwoch eine «schamlose Verletzung der Verfassung». «Dieser Nationalversammlung fehlt die Legitimität. Sie ist eine illegale Einheit.»
Die Abgeordneten des Regierungslagers hatten sich am Dienstag gegen die Vereidigung der suspendierten Abgeordneten gestellt, aber die Konservativen hoben die Entscheidung am Mittwoch mit ihrer neuen Mehrheit auf.
Die meisten Abgeordneten waren bei einer chaotischen konstituierenden Sitzung am Dienstag vereidigt worden. Während einer anschliessenden hitzigen Debatte verliessen die Anhänger von Präsident Nicólas Maduro das Parlament.
Sie störten sich vor allem an einer von der Opposition geforderten Amnestie für mehrere inhaftierte Politiker. Der neue Parlamentspräsident Henry Ramos Allup verkündete triumphierend: «Ab heute werden sich die Dinge hier ändern.»
Erster Sieg der Konservativen seit 1999
Die konservative Opposition in Venezuela hat erstmals seit dem Sieg der Sozialisten 1999 wieder die Kontrolle über das Parlament. Bei der Parlamentswahl am 6. Dezember hatten die im Oppositionsbündnis MUD (Mesa de Unidad Democrática, Tisch der demokratischen Einheit) zusammengeschlossenen Maduro-Gegner 112 der 167 Mandate gewonnen.
Sie erreichten damit knapp eine Zweidrittel-Mehrheit. Nach einem Einspruch von Maduros Vereinter Sozialistischer Partei (PSUV) wegen angeblichen Stimmenkaufs der Opposition hob der Oberste Gerichtshof Ende des vergangenen Jahres allerdings die Wahl dreier konservativer Abgeordneter, aber auch eines Maduro-Anhängers aus dem südlichen Bundesstaat Amazonas vorläufig auf. Eine endgültige Entscheidung des Gerichts steht noch aus.
Am Dienstag waren zunächst nur 163 von insgesamt 167 Abgeordneten vereidigt worden, die Opposition verfehlte knapp die Zweidrittel-Mehrheit. Auch mit einer Dreifünftel-Mehrheit hätte sie der Regierung Probleme bereiten können. Sie hätte etwa per Misstrauensvotum die Entlassung von Ministern und dem Vize-Präsidenten erzwingen können.
Maduro kündigt harte Linie an
Der Staatschef reagierte am Dienstag entschlossen. Er werde Demokratie und Stabilität in Venezuela «mit eiserner Faust» verteidigen, sagte er in einer Fernsehansprache. Er werde «weder zurückweichen noch wanken».
Zugleich kündigte er an, bald sein Kabinett umzubilden. Die Amtszeit des Sozialisten endet 2019. Der scheidende Parlamentspräsident Diosdado Cabello verwies darauf, dass der Präsident ein Vetorecht habe und Gesetze an den Obersten Gerichtshof verweisen könne.
Derweil trat ein Dekret Maduros in Kraft, wonach dem Parlament die Befugnis zur Nominierung des Zentralbankchefs entzogen wird. Die Massnahme war bereits am 30. Dezember angekündigt worden und gilt als Kampfansage des Staatschefs.
Maduros PSUV hatte im Dezember in der letzten Parlamentssitzung mit eigener Mehrheit 13 der 32 Richter des Obersten Gerichtshofs ausgetauscht. Die Opposition boykottierte die Abstimmung und verurteilte das Vorgehen des Regierungslagers.
Venezuela verfügt über die weltgrössten Ölreserven. Die Bevölkerung des lateinamerikanischen Landes leidet aber unter der Knappheit von Waren des täglichen Bedarfs und einer hohen Inflation.