Nach einer umstrittenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gegen das Parlament schlagen die Abgeordneten nun zurück. Die Opposition will die Richter des Amtes entheben – die sozialistische Regierung hält dagegen.
In Venezuela ringen die Staatsgewalten um die Macht. Das Parlament forderte am Mittwochabend (Ortszeit) die Amtsenthebung einer Reihe regierungstreuer Verfassungsrichter. Der sozialistischen Regierung warf der oppositionellen Parlamentsmehrheit einen versuchten «Staatsstreich» vor. «Wir sehen uns einem verrückten Angriff der Oligarchie und des Imperialismus ausgesetzt», sagte dagegen Präsident Nicolás Maduro.
Vergangene Woche hatte die Verfassungskammer des Obersten Gerichtshof dem Parlament vorübergehend die Kompetenzen entzogen und die Immunität der Abgeordneten aufgehoben. Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Díaz sprach von «Verfassungsbruch». Die Entscheidung wurde später wieder zurückgenommen.
Aussichtsloses Unterfangen
«Wir haben die moralische Pflicht, diese Richter der Verfassungskammer des Amtes zu entheben», sagte der Abgeordnete Juan Miguel Matheus. «In Venezuela findet ein Staatsstreich statt. Drahtzieher ist Nicolás Maduro, aber die tatsächlichen Täter sind die sieben Richter der Verfassungskammer.»
Die Regierung wies den Antrag auf Amtsenthebung zurück. Die Nationalversammlung sei dazu nicht berechtigt, sondern ein gemeinsames Organ aus Staatsanwaltschaft, Rechnungshof und dem Büro Ombudsmann. Der regierungstreue Ombudsmann Tareck William Saab hatte bereits erklärt, er teile die Meinung des Parlaments nicht.
Der sozialistische Fraktionschef Jorge Rodríguez sprach seinerseits von einem «parlamentarischen Staatsstreich» gegen die Institutionen. «Ich rufe zum Frieden und zur Demokratie auf», sagte er, bevor er mit den übrigen regierungstreuen Abgeordneten die Sitzung verliess. «Wir sollten unsere Meinungsverschiedenheiten souverän beilegen, ohne eine ausländische Intervention zu fordern und das Vaterland zu verraten.»
Asyl im Ausland
Unterdessen suchte der Oppositionspolitiker Roberto Enríquez Zuflucht in der Residenz des chilenischen Botschafters in Caracas. Der Präsident der christsozialen Partei Copei habe wegen der politischen Umstände um Schutz gebeten, teilte das chilenische Aussenministerium mit.
Seit mehr als einem Jahr streiten sich das von der Opposition dominierte Parlament und die sozialistische Regierung. Die beiden Lager machen sich gegenseitig für die politische und wirtschaftliche Krise in dem südamerikanischen Land verantwortlich. Bei einer Demonstration gegen Maduro waren am Dienstag nach Oppositionsangaben mehr als 50 Menschen verletzt worden.
In der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) wurde am Mittwoch über die Lage in Venezuela debattiert. OAS-Generalsekretär Luis Almagro verurteilte Maduros autoritären Regierungsstil. Präsident Maduro hielt dagegen und sagte: «Wir setzen unseren Weg fort – mit oder ohne die OAS. Sowohl die OAS als auch die Nationalversammlung sind Betrug. Mit diesen Leuten geben wir uns nicht ab.»