Heute steht in der WM-Qualifikation das Duell in der Gruppe I zwischen Frankreich und Welt- und Europameister Spanien in St-Denis über allem. Dem Titelverteidiger drogt der Gang in die Barrage (21.00 Uhr, TF1).
Während ein paar Jahren gab die französische Nationalmannschaft ein pitoyables Bild ab. Der Niedergang begann mit dem Rücktritt der Generation um Zinédine Zidane (2006), akzentuierte sich 2009 mit dem unsportlichen Handspiel von Thierry Henry, das den Weg an die WM in Südafrika ebnete, ging am Kap weiter mit dem unsäglichen Trainingsboykott von Ribéry und Co. und führte schliesslich zu uninspirierten Auftritten an der EM 2012 mit den flegelhaften Pöbeleien von Samir Nasri. Es war so, dass sich die «Grande Nation» für ihre Nationalmannschaft schämte.
In der Gruppe E mit der Schweiz als Tabellenführer sind an diesem Dienstag ebenso keine Spiele angesetzt wie in Gruppe G mit Bosnien-Herzegowina als Leader vor Griechenland. Die Schweiz hat ihren nächsten Einsatz erst nach Saisonende in der nationalen Liga, am Samstag, 8. Juni, in Genf gegen Zypern.
Das hat sich geändert, seit Didier Deschamps auf der Trainerbank sitzt. Seit vergangenem August hat sich die «Equipe tricolore» sukzessive in die Herzen der Fans zurück gespielt. Ein 1:1 in der WM-Qualifikation in Spanien, dem ein 2:1 im Testspiel in Italien folgte und ein gelungener spielerischer Auftritt beim 1:2 im Test gegen Deutschland offenbarten die Handschrift des neuen Trainers.
Und so kann Deschamps heute Dienstag, nach nur acht Monaten im Amt, eine Euphorie auslösen. Gewinnt nämlich Frankreich in St-Denis gegen Weltmeister Spanien, wäre es bei fünf Punkten Vorsprung und noch drei ausstehenden Spielen kaum noch vom 1. Platz zu verdrängen.
Deschamps ist vorsichtig
Der Trainer selbst bleibt vorsichtig. «Auch ein Unentschieden wäre ein gutes Resultat. Spanien bleibt noch immer die beste Mannschaft der Welt», so Deschamps. Der frühere Champions-League-Sieger mit Olympique Marseille und Juventus Turin unterschätzt den Gegner trotz dessen 1:1 vom Freitag gegen Finnland nicht, er erinnert sich aber auch an das Hinspiel vom Oktober in Madrid. «Wir mussten leiden, aber wir haben auch sie leiden lassen.»
Frankreich war damals über 50 Minuten lang dominiert worden, setzte in der Schlussphase aber das spanische Team so stark unter Druck wie dies in den letzten Jahren kaum je ein Gegner getan hatte. Der späte Ausgleich war verdienter Lohn für die Franzosen.
Im Vergleich zum 3:1-Sieg vom Freitag gegen Georgien wird Chef-Taktiker Deschamps einige Änderungen vornehmen. Er wird das Mittelfeld mit dem spielintelligenten Yohan Cabayé stärken und im Angriff auf Karim Benzema als einzige Spitze setzen. Der Stürmer von Real Madrid wartet zwar seit 929 Minuten auf ein Tor im Nationalteam, doch Deschamps hält fest: «Mein Vertrauen in ihn ist ungebrochen.» Der Arsenal-Angreifer Olivier Giroud wird auf der Bank sitzen.
Für die Akzente sollen die Kleinen sorgen: Bayerns Franck Ribéry (170 cm) und Marseilles Mathieu Valbuena (167 cm). Der Mittelfeldspieler von «OM» hat in den letzten drei Länderspielen drei Tore erzielt. Er ist unter seinem früheren Vereinstrainer auch im Nationalteam zur festen Grösse geworden, nachdem ihn Deschamps‘ Vorgänger Laurent Blanc an der EM-Endrunde 2012 in allen vier Spielen auf der Bank belassen hat.
«WM in Gefahr»
Nach dem 1:1 gegen Finnland lassen die spanischen Medien die Alarmglocken läuten. «Die WM ist in Gefahr», titelte am Wochenende die Zeitung «Mundo Deportivo». Ganz so schlimm ist es jedoch nicht. Selbst wenn der Welt- und Europameister eine Strafrunde in Form der Barrage auf sich nehmen müsste, wäre kaum mit seinem Ausschluss von der WM-Bühne zu rechnen. Nach aktuellen Stand hiesse der Barrage-Gegner Spaniens Bulgarien, Island, Ungarn oder Griechenland.
Trotzdem ist die Rücklage der Spanier ungemütlich. Denn sie gibt ein Muster wieder über den Zustand der Mannschaft. Das Team hat gewohnt viel Ballbesitz, aber «viel weniger Abschlüsse als andere Teams wie Deutschland, Portugal oder die Slowakei», wie die Zeitung «El Pais» aufzeigte.
Gegen Finnland hatte Spanien über 70 Prozent Ballbesitz und 17:0 Corner, schoss aber nur ein Tor. Überspitzt könnte man sagen: Spanien kämpft mit ähnlichen Defiziten wie der FC Barcelona, hat aber keinen Lionel Messi, der die Probleme oft im Alleingang löst. Gegen Frankreich kommen immerhin die Mittelfeldspieler Xavi und Xabi Alonso zurück – und mit ihnen die Hoffnung auf den entscheidenden vertikalen Pass.
England in Montenegro gefordert
Während die internationalen Scheinwerfer auf das Stade de France in St-Denis gerichtet sind, treten Deutschland (gegen Kasachstan), Italien (auf Malta) und Holland (gegen Rumänien) zu Pflichtaufgaben an und können mit Siegen einen weiteren Schritt Richtung Gruppensieg machen. Eine heiklere Aufgabe stellt sich England in der Gruppe H, das in Montenegro gewinnen sollte, um sich die Chance offen zu halten, den Gruppensieg aus eigener Kraft zu schaffen.
Zuletzt spielten die Briten gegen den Klein-Staat vom Balkan dreimal in Folge unentschieden. In Erinnerung bleibt das 2:2 vom Oktober 2011, das die Schweizer EM-Träume beendete. Den damals späten Ausgleich Montenegros konnten die Engländer gut verkraften, diesmal wollen sie unbedingt gewinnen und auf Platz 1 vorrücken, auch wenn Steven Gerrard warnt: «Montenegro hat mit Jovetic und Vucinic zwei Weltklassespieler in seinem Team.»
Marcel Koller braucht einen Sieg in Dublin
Marcel Koller strebt mit Österreich in der Gruppe C den 2. Platz hinter Deutschland an. Dazu braucht es in Irland einen Sieg. «Dafür unternehmen wir alles», so der Zürcher, der mit der ÖFB-Auswahl mit sieben Punkten aus vier Spielen gestartet ist. Noch ist die Stärke der Österreicher schwer einzuschätzen.
Gegen die Konkurrenten um Platz 2, Schweden und Irland, haben sie noch nicht gespielt. Die sieben Punkte resultierten aus den Partien gegen Kasachstan (0:0, 4:0) und Färöer (6:0). Eine gewisse Fussball-Euphorie ist in der Ski-Nation gleichwohl auszumachen. 2700 Fans werden das Team in Dublin unterstützen, für das Heimspiel vom Juni gegen Schweden sind schon über 30’000 Tickets abgesetzt.
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