Der Bundesrat will sich im Frühling für den Umgang mit Verdingkindern in der Schweiz entschuldigen, will aber nichts von einer finanzielle Entschädigung wissen. Eine solche fordert aber der Verein „netzwerk-verdingt“, der damit die Aufarbeitung finanzieren will.
Nebst der Entschuldigung müsse die Schweiz auch eine finanzielle Wiedergutmachung für das Unrecht an den Verdingkindern leisten, sagte Walter Zwahlen, Präsident des Vereins „netzwerk-verdingt“, am Mittwoch auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Er bestätigte damit einen Bericht des „SonntagsBlick“. Der Bund solle in der Frage eine Führungsrolle übernehmen.
Für konkrete Zahlen sei es noch zu früh. Als realistisch bezeichnet Zwahlen aber Schätzungen, die von Entschädigungen von je 100’000 bis 120’000 Franken für die 10’000 noch lebenden Verdingkinder ausgehen. Das ergäbe ein Total von bis zu 1,2 Milliarden Franken.
Als Verdingkinder werden Kinder bezeichnet, die in den letzten Jahrhunderten in der Schweiz ihren armen oder unverheirateten Eltern oder alleinerziehenden Müttern weggenommen und bei Pflegefamilien – oft Bauern – platziert wurden. Dabei mussten sie bei oft schlechter Behandlung hart arbeiten. Die Praxis wurde als im Einklang mit der Rechtsordnung angesehen.
Vergangenheit aufarbeiten
Zwahlen sagte, dass sein Verein nicht des Geldes wegen für eine Entschädigung kämpfe. Viele ehemalige Verdingkinder sagten sich, Geld könne ihre schlimme Jugend nicht ungeschehen machen. Wichtig sei aber, dass sich „die Schweiz dem Problem stellt“ und die traurige Vergangenheit nicht vergessen gehe.
Eine Entschädigung solle Betroffene unterstützen, die in prekären Verhältnissen lebten oder die wegen ihrer Vergangenheit psychiatrische Hilfe in Anspruch nehmen. Hauptanliegen ist für Zwahlen aber, dass die Aufarbeitung weitergeführt wird – auch als „Hommage an die Verstorbenen“.
Kantone entschuldigten sich
Der Gesamtbundesrat kündigte im Sommer an, er werde sich bei den Verdingkindern entschuldigen. Im kommenden Frühling soll eine entsprechende Veranstaltung stattfinden. Bisher haben sich die Kantone Waadt (2007), Bern, Luzern und Thurgau (alle 2011) offiziell bei den Verdingkindern entschuldigt.
Der erfolgreich gestartete Schweizer Film „Der Verdingbub“ über das verdingte Waisenkind Max brachte das Thema in den vergangenen Wochen wieder stärker in die öffentliche Diskussion.