Die Generalstaatsanwaltschaft in Hamburg hat ein Ermittlungsverfahren gegen einen mutmasslichen NS-Kriegsverbrecher eingestellt, der 1944 an einem Massaker in der Toskana beteiligt gewesen sein soll. Der Beschuldigte sei demenzkrank und dauerhaft verhandlungsunfähig.
Der heute 93-Jährige soll am 12. August 1944 als Kompaniechef an der Tötung von mehreren hundert Zivilisten in der italienischen Ortschaft Sant‘ Anna di Stazzema in der Provinz Lucca beteiligt gewesen sein. Die Ermittlungen in Hamburg waren die letzten, die in Deutschland noch betrieben wurden.
Die anfangs für die rechtliche Aufarbeitung verantwortliche Stuttgarter Staatsanwaltschaft hatte ursprünglich gegen acht noch lebende SS-Angehörige ermittelt, diese Verfahren aber 2012 eingestellt, weil diesen eine noch nicht verjährte strafbare Beteiligung nicht sicher nachzuweisen war.
Wiederaufnahme erzwungen
Auf Betreiben eines Überlebenden des Massakers ordnete das Oberlandesgericht Karlsruhe im vergangenen Jahr in einem sogenannten Klageerzwingungsverfahren jedoch die Wiederaufnahme der Ermittlungen gegen den 93-Jährigen aus Hamburg an, weil es zumindest in diesem Fall doch einen hinreichenden Tatverdacht sah.
Das NS-Kriegsverbrechen in dem kleinen toskanischen Dorf Sant’Anna di Stazzema etwa 40 Kilometer nördlich von Pisa gehört zusammen mit den Massakern im griechischen Distomo oder im französischen Oradour-sur-Glane zu den international bekanntesten deutschen Kriegsverbrechen. Bundespräsident Joachim Gauck besuchte den Ort 2013.
Angehörige der Panzergrenadierdivision «Reichsführer SS» der Waffen-SS hatten dort im August 1944 schätzungsweise 560 Menschen in einer brutalen Gewaltorgie erschossen, erschlagen oder verbrannt. Unter den Opfern waren 107 Kinder.
Von italienischem Gericht verurteilt
Ein italienisches Militärgericht hatte 2005 zehn Beteiligte in Abwesenheit zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Sie wurden nicht ausgeliefert. Das Gericht ging davon aus, dass es eine geplante Tötungsaktion war, um die strategisch wichtige Region um den Ort zu «säubern», nachdem ein Räumungsbefehl nicht befolgt worden war.
Die Staatsanwaltschaft Hamburg teilte mit, im Fall einer Verhandlungsfähigkeit wäre der 93-jährige Beschuldigte «mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen grausamen und aus niedrigen Beweggründen begangenen Mordes in 342 Fällen» anzuklagen gewesen.
Zwei Gutachten hätten aber ergeben, dass er durch seine Demenzerkrankung inzwischen derart stark beeinträchtigt sei, dass eine Strafverfolgung nach rechtsstaatlichen Prinzipien unmöglich sei.