Verkauf eines Mythos: Hôtel de la Gare in Courgenay versteigert

Ein Schweizer Mythos ist versteigert worden: Das Hôtel de la Gare im jurassischen Dorf Courgenay. Bekannt geworden durch die zur nationalen Ikone stilisierte Wirtetochter Gilberte de Courgenay, ging das Hotel schliesslich aus Geldmangel zu Grunde.

Das Hôtel de la Gare in Courgenay (JU), einst Wirkungsstätte der «petite Gilberte», ist versteigert worden. (Bild: sda)

Ein Schweizer Mythos ist versteigert worden: Das Hôtel de la Gare im jurassischen Dorf Courgenay. Bekannt geworden durch die zur nationalen Ikone stilisierte Wirtetochter Gilberte de Courgenay, ging das Hotel schliesslich aus Geldmangel zu Grunde.

Am Mittwoch ist das Hôtel de la Gare für 750’000 Franken versteigert worden. Geschätzt worden war es auf 600’000 Franken. Der Erlös wird verwendet, um die Gläubiger der Stiftung Gilberte de Courgenay auszuzahlen. Die Stiftung, Besitzerin des Hotels, ging 2013 Konkurs.

Viel Geld in die Stiftung investiert hatte der Baselbieter Mäzen Moritz Schmidli. Nachdem das Hotel 1997 dicht gemacht hatte, gab der nach eigenen Angaben «angefressene Gilberte-Fan» der Stiftung für den Kauf des Hauses 750’000 Franken à fonds perdu.

Später unterstützte er die Sanierung mit einem Darlehen von gut einer Million Franken. 2001 wurde das Hotel wiedereröffnet, Tausende nahmen an der Feier teil.

Geldprobleme

Doch als sich Schmidli zurückziehen wollte, geriet die Stiftung in Schwierigkeiten. Zwar hätte sich der Mäzen bereit gezeigt, auf die Hälfte seines Darlehens zu verzichten. Eine halbe Million Franken wollte er aber für die Finanzierung seines Lebensabends zurück. Dies stellte die Stiftung vor Probleme, neue Geldgeber wurden gesucht.

Zwei Jahre später hatte Schmidli genug von der Geldsuche. Der damals 88-Jährige erklärte, dass er aussteige und verlangte die Rückzahlung der halben Million. Die Stiftung ging Konkurs.

Daraufhin machte sich das Betreibungsamt von Pruntrut daran, das gesamte Vermögen der Stiftung zu verkaufen. Dies ist nun vollbracht. Neben dem Hotel standen auch zwei weitere Objekte, beide Eigentum der Stiftung, zu Verkauf. Das Paket ging schliesslich für 930’000 Franken an einen Anwalt, wie das Betreibungsamt mitteilte. Dieser machte das höchste Angebot.

In den letzten Tagen vor dem Verkauf habe das Interesse von möglichen Käufern deutlich zugenommen, teilte das Betreibungsamt mit. Die Besichtigung des Gebäudes, die im Juni stattgefunden hatte, war noch auf geringes Interesse gestossen. Am Mittwoch kamen die Zuschauer – Neugierige, Nachbarn und Journalisten – jedoch in grosser Zahl.

«Petite Gilberte»

Das Hôtel de la Gare im 2000-Seelen-Dorf Courgenay wurde vor allem in der Deutschschweiz zur Legende. An deren Anfang stand das 1917 vom Urner Hans in der Gand komponierte Lied über die «petite Gilberte». Zur legendären patriotischen Figur wurde Gilberte schliesslich durch den Film «Gilberte de Courgenay» von 1941, der zur Moral der Soldaten im Zweiten Weltkrieg stärken sollte.

Doch Gilberte ist nicht blosse Legende: Gilberte-Elisa Montavon, wie sie mit vollem Namen hiess, lebte von 1896 bis 1957 und war eine der Töchter des Wirtes im Hôtel de la Gare.

Mit Charme und Deutschkenntnissen wurde die Wirtetochter während des Ersten Weltkrieges zum Liebling der in der Ajoie stationierten Truppe. «300’000 soldats et tous les officiers» kannte sie dem ihr gewidmeten Lied zufolge.

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