Der seit Wochen vermisste Hongkonger Verleger Lee Bo ist im Fernsehen aufgetreten. Er sagte, er sei freiwillig nach China gegangen und nicht entführt worden. Vier Mitarbeiter desselben chinakritischen Verlags gestanden, Bücher illegal nach China geschmuggelt zu haben.
Das Verschwinden der vier Verlagsmitarbeiter, die von Reisen nach Südchina und Thailand nicht nach Hongkong zurückgekehrt waren, hatte grosse Besorgnis wegen einer zunehmenden Einmischung Chinas in Hongkong ausgelöst.
Die grössten Sorgen bereitete vielen aber der Fall Lee, der offenbar direkt aus Hongkong verschwand. Chinesische Sicherheitskräfte haben gemäss bestehender Übereinkommen nicht das Recht, in Hongkong zu agieren.
Lee: Wollte bei Ermittlungen kooperieren
Nachdem lange nur schriftliche Mitteilungen von Lee Bo bekannt wurden, trat der 65-Jährige am Montag erstmals selbst in dem in Hongkong ansässigen Privatsender Phoenix auf. «Der Grund, weshalb ich auf das Festland ging, war, um bei Justizermittlungen zu kooperieren», sagte er.
Er hatte zuvor schon in Briefen an seine Familie geschrieben, er sei in China, um den dortigen Behörden zu helfen. Dies war von Politikern und Menschenrechtsaktivisten bezweifelt worden.
Die Polizei von Hongkong hatte kurz zuvor mitgeteilt, sie habe Lee in einem Gästehaus auf dem Festland getroffen. Dort habe er gesagt, er brauche keine Hilfe und sei auch nicht entführt worden.
Nähere Details wollte er aber nicht nennen. Der Brite Lee war Ende Dezember aus Hongkong verschwunden, nun sagte er lächelnd im Fernsehen, er gebe seine britische Staatsbürgerschaft ab.
Brisantes Buch vor der Veröffentlichung
Die fünf Verlagsmitarbeiter arbeiteten für den chinakritischen Verlag Mighty Current, der ein Buch über eine ehemalige Geliebte des chinesischen Präsidenten Xi Jinping plante. Der Verlag ist bekannt für Veröffentlichungen über Intrigen und Liebesgeschichten, die im Milieu ranghoher chinesischer Politiker spielen.
Ebenfalls im Sender Phoenix gaben die vier anderen Verlagsmitarbeiter – teils unter Tränen – erstmals zu, Bücher «illegal» auf das Festland geschmuggelt zu haben. Der Verlagsmitarbeiter Gui Minhai sagte am späten Sonntagabend, sie hätten nach Wegen gesucht, die offiziellen Kontrollen in China zu umgehen, etwa durch eine Veränderung der Buchumschläge oder durch das Verstecken von Büchern in Gepäckstücken.
Gui, der die schwedische Staatsbürgerschaft besitzt, war bereits im Januar im chinesischen Staatsfernsehen vorgeführt worden. Dabei gestand er, vor elf Jahren einen schweren Verkehrsunfall verursacht zu haben.
Seine drei Kollegen Cheung Chi Ping, Lui Por and Lam Wing Kee, gaben Gui die Schuld für den Buchschmuggel. Alle vier galten seit dem vergangenen Oktober als vermisst.