Die Schweiz muss einem Mann, der gegen seinen Willen in eine psychiatrische Klinik eingewiesen wurde, eine Genugtuung von 10’000 Franken zahlen. Es dauerte fünf Monate, bis er von den Behörden einen vor Gericht anfechtbaren Entscheid erhielt.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat entschieden, dass die Schweiz damit gegen die Menschenrechtskonvention (EMRK) verstossen hat.
Artikel 5 Absatz 4 der EMRK hält fest, dass jede Person, der die Freiheit entzogen wird, das Recht hat, dass ein Gericht innerhalb kurzer Frist über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs entscheidet.
Der EGMR schreibt in seinem am Dienstag publizierten Urteil, dass dieser Artikel konkret und effektiv auszulegen und umzusetzen sei.
Der betroffene Mann war im Kanton Thurgau auf Geheiss der Vormundschaftsbehörde im April 2008 in die Psychiatrie eingewiesen worden. Er verlangte von der Behörde, dass man ihn wieder frei lässt. Noch bevor diese entschieden hatte, wandte er sich an das örtliche Gericht. Dieses wollte auf sein Gesuch nicht eintreten, weil noch kein Entscheid der Vormundschaftsbehörde vorlag.
Das Kantonsgericht und das Bundesgericht erachteten diesen Entscheid als korrekt. In der Zwischenzeit hatte die Vormundschaftsbehörde die Entlassung des psychisch Kranken bewilligt.
Auch an das Justiz- und Sicherheitsdepartement hatte sich der Eingewiesene im Juni 2008 gewandt. Im September liess dieses den Betroffenen wissen, dass aufgrund seiner Entlassung und der Aufhebung der Auflagen sein Begehren gegenstandslos geworden sei. (Urteil-Nr. 6232/09 und 21261/10 publiziert am 08.12.2015)