Verträglichere Implantate dank Zellulose mit «Blindenschrift»

Forschende der ETH Zürich haben eine Beschichtung entwickelt, mit der Implantate wie Herzschrittmacher oder Herzpumpen für den menschlichen Körper besser verträglich gemacht werden können. Das vielversprechende Material besteht aus bakterieller Zellulose.

Das Gebäude der ETH Zürich (Archiv) (Bild: sda)

Forschende der ETH Zürich haben eine Beschichtung entwickelt, mit der Implantate wie Herzschrittmacher oder Herzpumpen für den menschlichen Körper besser verträglich gemacht werden können. Das vielversprechende Material besteht aus bakterieller Zellulose.

Da das menschliche Immunsystem zwischen Körpereigenem und Körperfremdem unterscheidet, reagiert der Körper auf künstliche Implantate wie Herzschrittmacher oft mit Entzündungen oder stösst sie sogar ab. Um solche Geräte besser verträglich zu machen, haben ETH-Forscher eine Methode entwickelt, um die Implantate mit strukturierter Zellulose zu umhüllen, wie die ETH am Montag mitteilte.

Dabei machten sie sich zunutze, dass Zellen besser mit strukturierten Oberflächen interagieren als mit glatten, weil sie an diesen besser haften können. Bisher war es aber noch nie gelungen, solche Oberflächenstrukturen auf bakterieller Zellulose anzubringen. Aus von Bakterien hergestellter Zellulose werden bereits künstliche Blutgefässe oder Knorpelersatz hergestellt und für ihren Einsatz in der Praxis geprüft.

Oberfläche enthält «Blindenschrift»

Einem Forschungsteam um Dimos Poulikakos und Aldo Ferrari, Gruppenleiter am Labor für Thermodynamik in Neuen Technologien an der ETH, ist es nun gelungen, bakterielle Zellulose mit spezifischer Oberflächenstruktur herzustellen. Die Wissenschaftler nutzten dazu eine Silikonform mit dreidimensionalem Muster.

Die Form wird in eine Nährlösung mit den zelluloseproduzierenden Bakterien gegeben. Die Bakterien bauen dann am Übergang zwischen Flüssigkeit und Luft ein dichtes Netz aus Zellulosesträngen, die sich an die Silikonform anpassen und ein Negativmuster des Linienrasters produzieren.

Die Zellulosestränge und das Rastermuster bieten den Zellen eine Orientierung entlang von vorgegebenen Bahnen, die sie erspüren, wie die Forscher schreiben.

Es sei nun möglich, der Zelluloseoberfläche schon bei ihrer Herstellung eine Nachricht für die später darauf wachsenden Zellen mitzugeben. «Man kann sich das wie Blindenschrift vorstellen», wird Poulikakos in der Mitteilung zitiert. So lasse sich die passende «Nachricht» für die spätere Anwendung auf der Oberfläche anbringen.

Weniger Entzündungen bei Mäusen

Die Oberflächenstruktur hilft zudem, Abstossungsreaktionen des Körpers auf ein Implantat zu verringern, wie es weiter heisst. Das Forschungsteam stellte in Studien fest, dass Mäuse, denen die strukturierte Zellulose unter die Haut eingesetzt worden war, signifikant weniger Anzeichen einer Entzündung zeigten als Mäuse, die glatte Zellulose implantiert bekommen hatten.

Nun soll das Material unter komplexeren Bedingungen getestet werden. Zunächst sind Versuche an Schweinen geplant, wie Poulikakos auf Anfrage mitteilte. Bei Menschen soll das Material erst später zum Einsatz kommen.

Im Rahmen des «Zurich Heart»-Projekts soll strukturierte Zellulose etwa für künstliche Herzpumpen nutzbar gemacht werden. Diese Pumpen helfen Patienten mit schweren Herzleiden, die Zeit bis zum Erhalt eines Spenderherzens zu überbrücken. «Unser Ziel ist es, dass künstliche Implantate vom Körper des Patienten vollständig akzeptiert werden», wird Ferrari in der Mitteilung zitiert.

Die Forschungsgruppe hat zudem ein Spin-Off gegründet, welches die Methode zur Marktreife bringen soll. Laut Angaben von Poulikakos können erste marktreife Produkte in rund fünf Jahren den Patientinnen und Patienten zugute kommen.

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