Verurteilte Gynäkologie-Chefärztin bleibt am Spital Wil

Nach dem Tod einer siebenfachen Mutter bleibt die Chefärztin Gynäkologie am Spital Wil, wie der Kanton am Freitag meldete. Das Kreisgericht Wil hatte die Ärztin wegen fahrlässiger Tötung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

Ein Stethoskop im Kittel einer Ärztin (Symbolbild) (Bild: sda)

Nach dem Tod einer siebenfachen Mutter bleibt die Chefärztin Gynäkologie am Spital Wil, wie der Kanton am Freitag meldete. Das Kreisgericht Wil hatte die Ärztin wegen fahrlässiger Tötung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

Die Ärztin habe seit der tragischen Fehldiagnose vor fünf Jahren ihre Arbeit trotz grosser psychischer Belastung einwandfrei gemacht, sagte Gesundheitsdirektorin Heidi Hanselmann vor den Medien. Die Chefärztin bleibe im Amt und werde ihre Arbeit in den nächsten Tagen wieder aufnehmen.

Das Disziplinarverfahren gegen die Chefärztin, die seit elf Jahren am Spital Wil arbeitet, wird eingestellt. „Um ein ähnlich tragisches Ereignis möglichst zu vermeiden hat der Verwaltungsrat weitere Massnahmen beschlossen“, sagte Hanselmann am Freitag vor den Medien.

Die verurteilte Chefärztin, die seit 2009 durch Urs Haller von der Universitätsfrauenklinik Zürich begleitet worden war, bekomme weiterhin einen Coach. Dieses Coaching – eine wöchentliche Besprechung komplexer Fälle – übernimmt René Hornung, Chefarzt Gynäkologie am Kantonsspital St. Gallen.

Zweitmeinung einholen

Der Kaderärztliche Hintergrunddienst der Frauenklinik am Kantonsspital St. Gallen stehe neu auch dem Spital Wil zur Verfügung. Spitalmitarbeitende aller Berufsgruppen könnten dort jederzeit anrufen und eine Zweitmeinung einholen, sagte Hanselmann.

Die Kommunikation und Information in Zusammenhang mit dem Todesfall sei unterschätzt worden, räumte Hanselmann ein. Der Verwaltungsrat der Spitalverbunde, dem die Gesundheitsdirektorin vorsteht, werde das Kommunikationskonzept unter Beizug externer Fachleute verbessern.

Neun Haftpflichtfälle

Die Zahl der Haftpflichtfälle der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe seit dem Stellenantritt der Chefärztin im Jahr 2000 sei mit insgesamt neun Fällen gering, sagte Urs Besmer, Leiter Rechtsdienst beim St. Galler Gesundheitsdepartement.

In vier Fällen sei die Chefärztin direkt oder indirekt involviert gewesen. Neben dem tragischen Todesfall der 34-jährigen Mutter seien in zwei weiteren Fällen haftpflichtrechtliche Ansprüche bejaht und Entschädigungen in der Höhe von wenigen tausend Franken bezahlt worden.

An der Frauenklinik in Wil werden jedes Jahr 1000 stationäre und 3000 ambulante Behandlungen durchgeführt.

Chefärztin am Tod schuld

Im Jahr 2007 starb im Spital Wil eine 34-jährige Frau nach der Totgeburt ihres achten Kindes. Das Kreisgericht Wil sprach die Gynäkologie-Chefärztin im Juni der fahrlässigen Tötung schuldig. Das Gericht kam zum Schluss, dass ein Fehldiagnose der Chefärztin zum Tod der Frau geführt hatte.

Diese Woche wurden wegen des Todesfalls eine ehemalige Ärztin und ein ehemaliger Arzt des Spitals Wil vom Kreisgericht Wil vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen. Nächsten Dienstag steht ein weiterer Arzt an Schranken; auch ihm wird fahrlässige Tötung vorgeworfen.

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