Weder eine Vorsprache beim Papst noch ein Appell an Frankreichs Staatschef François Hollande haben den französischen Skandalbanker Jérôme Kerviel vor dem Gefängnis bewahrt: Der verurteilte Ex-Händler sitzt seit Montag in Nizza hinter Schloss und Riegel.
Kerviel hatte zuvor nach einem Protestmarsch durch Italien die Grenze überquert und wurde sofort abgeführt. Mit seinen Machenschaften hatte er die Grossbank Société Générale beinahe ruiniert.
Der 37-jährige Kerviel, der sich über Monaten ein medienwirksames Katz-und-Maus-Spiel mit der französischen Justiz lieferte, fühlt sich in seinem Heimatland ungerecht behandelt. Er war wegen seiner hochriskanten Finanzspekulationen in letzter Instanz zu fünf Jahren Haft, davon zwei auf Bewährung, verurteilt worden.
Doch Kerviel will nicht der alleinige Sündenbock für die horrenden Verluste von 4,9 Mrd. Euro bei der Société Générale im Jahr 2008 sein; seiner Ansicht nach ist sein früherer Arbeitgeber wegen eines auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Systems ebenso verantwortlich.
Nach einer kurzen Untersuchungshaft im Jahr 2008 war der junge Ex-Trader im Jahr 2010 jedoch als einziger vor Gericht gestellt und zu der Gefängnisstrafe plus Schadenersatz von 4,9 Mrd. Euro verurteilt worden.
Schadenersatz aufgehoben
Kerviel klagte seinerseits gegen die Bank, unter anderem wegen Betruges im Prozess und Zeugenbeeinflussung, kam damit bisher aber nicht durch. Mitte März wurde dann die Haftstrafe gegen ihn höchstrichterlich bestätigt, lediglich der Schadenersatz wurde aufgehoben und zurück an ein Berufungsgericht verwiesen.
Kurz zuvor hatte der Skandalbanker am 19. Februar den Papst im Vatikan getroffen und danach eine Art umgekehrten Pilgermarsch von Rom nach Paris gestartet. Bis zum 18. Mai sollte er sich im südfranzösischen Menton der Polizei stellen.
Doch kurz vor der französischen Grenze weigerte sich Kerviel am Wochenende, seine Gefängnisstrafe anzutreten: Er appellierte an den französischen Präsidenten François Hollande, seinen Anwalt zu treffen und Zeugen Immunität zuzusichern. Daraufhin platzte der französischen Justiz der Kragen: Sie drohte mit einem europäischen Haftbefehl, falls sich Kerviel nicht stelle.
Kerviel, der seine Mitschuld an den Verlusten der französischen Grossbank nie bestritten hat, aber stets betont, dass er sich nicht persönlich bereichert habe, lenkte am Ende ein: Um Mitternacht überquerte er – begleitet von einem grossen Medienaufgebot – die Grenze zwischen den Ortschaften Ventimiglia in Italien und Menton in Frankreich.
«Ich war nie auf der Flucht, ich habe meine Verantwortung immer übernommen», sagte er lächelnd im Wanderer-Outfit. Auf französischem Boden wurde er von zwei Polizisten in Zivil erwartet und umgehend in einem Auto weggebracht.
Nach einer Zwischenstation in der Polizeistation von Menton bleibt Kerviel nun laut Staatsanwaltschaft «bis auf Weiteres» im südfranzösischen Nizza inhaftiert. Aufgrund seines Bekanntheitsgrades wurde er laut Gewerkschaften dort in Isolationshaft genommen.
Nach der Verbüssung der Hälfte seiner Haftzeit – 2008 hatte er 41 Tage in Untersuchungshaft verbracht – könnte er eine Freilassung unter Auflagen beantragen.