Wenn der Einzelne verzichtet, profitiert nicht nur die Gesellschaft, sondern auch er selbst. Immer mehr Leute pflegen einen suffizienten Lebensstil. Das kann sich aber nicht jeder leisten, schreibt der Geschäftsführer von «Eco.ch».
Wenige können dem 5-Franken-T-Shirt im Ausverkauf wiederstehen. Im Schnäppchen-Eifer liegt es schnell im Warenkorb – und zuhause dann unbenutzt im Schrank. Solch unnötigen Konsum zu reduzieren, wäre ein wichtiger Beitrag zur Ressourcenschonung und zur Vermeidung von Umweltverschmutzung.
Nachhaltigkeit wird häufig als eine technische Entwicklung gesehen. Man versteht darunter Energieeffizienz, Recyclingzyklen oder Errungenschaften, die unsere Welt für künftige Generationen erhalten sollen. Erreicht wird durch solche technische Neuerung aber nur, dass beispielsweise mehr Auto gefahren wird, da die Autos weniger Ressourcen verbrauchen.
Nachhaltigkeit – das soll der Staat richten, denken viele Bürgerinnen und Bürger. Der Staat soll die Voraussetzungen schaffen, damit Ressourcen geschont werden und die Verschmutzung eingedämmt wird. Das ist aber nur eine Seite der Medaille. Die einzelnen Menschen können auch konkret etwas tun, um Nachhaltigkeit umzusetzen.
Führt Fleiss wirklich zu mehr Wohlstand und Glück?
Man muss direkt beim Menschen und dessen Umgang mit Ressourcen ansetzen, will man etwas nachhaltig ändern. Doch was heisst Umgang mit Ressourcen eigentlich? Da sind die Rohstoffe, die fossilen Energieträger, der Boden, Wasser, Luft die es zu schonen gilt. Dann sind da aber auch die Menschen und ihre Arbeit als Ressource. Hier lohnt es sich, etwas genauer hinzuschauen. Denn Arbeit ist kein abstraktes Massengut, sondern eine individuell erbrachte Handlung. Diese einzelnen Handlungen sind der Keim eines jeden ausbeuterischen oder nachhaltigen Verhaltens.
Arbeitsleistung ist in den Industrieländern klar besetzt: Mehr ist besser. Fleiss und Engagement führen zu mehr Wohlstand und Glück. Diese Formel wird kaum hinterfragt. Erst wer in seinem Umfeld oder am eigenen Leib erfahren hat, was Ausbeutung bedeutet, der spürt die eigene Hilflosigkeit in dieser Logik.
Wir stecken unsere eigenen Ressourcen oft rücksichtslos in Arbeit, Familie und Engagements. Ja selbst für die Freizeitgestaltung verbrauchen wir Ressourcen und erholen uns gar nicht richtig. Wenn wir Menschen unseren Körper und Geist bis zur Erschöpfung ausbrennen, wie sollen wir dann mit unserer Erde einen besseren Umgang haben?
Weniger ist noch zu viel
Hilft ein einfaches Leben gegen die zunehmende Reiz- und Informationsüberflutung? Reduktionen im Lebensstil à la «Simplify your Life» und Minimalismus sind heute in aller Munde. Das Konzept der Suffizienz beschreibt dieses Lebensgefühl auf Ebene der Nachhaltigkeit, indem es eine Genügsamkeit preist, die zum Verzicht führt – zum Verzicht auf Konsum von Gütern und Dienstleistungen, zum Verzicht auf zu viel Wohnfläche oder Mobilität.
Wer knapp bei Kasse ist, der lebt meist schon höchst suffizient und somit vorbildlich nachhaltig.
Suffizienz im Konsum – das heisst: nur soviel konsumieren, wie man wirklich braucht. Wer also knapp bei Kasse ist, der lebt meist schon höchst suffizient und somit vorbildlich nachhaltig. Etwas anspruchsvoller ist dies natürlich für die relativ gutverdienenden Menschen. Die müssen sich dann permanent die Frage stellen: Brauch ich das nun wirklich, oder kann ich darauf verzichten?
Wenn sich der Konsument mit dieser Frage auseinandersetzt, ist das auch für ihn befriedigender als ständiger Konsum. Man überwindet den Konsumzwang und erklimmt eine höhere Sphäre des Seins: den Postmaterialismus. Dort zählen wieder Werte wie Kultur, Naturverbundenheit oder Solidarität.
Sparen heisst, den Konsum aufschieben
Wofür soll man dann das eingesparte Geld ausgeben? Sparen ist keine Option, denn das hiesse ja den Konsum nur aufzuschieben. Eine Flugreise geht nicht, das wäre unökologisch. Es bieten sich Yogakurse, lokale Kulturveranstaltungen oder Spenden für Bedürftige an.
Noch sinnvoller wäre es, die Suffizienz-Idee auch auf die eigene Arbeit anzuwenden. Das hiesse dann: nur noch so viel arbeiten, wie für den eigenen Bedarf nötig. «Zeit statt Zeugs» bringt diesen Zusammenhang auf den Punkt. Wer weniger arbeitet, hat zwar weniger Geld, aber dafür mehr Zeit zur Verfügung.
Doch genug der Träumereien, wer sich versucht, dem Leistungs- und Konsumzwang unserer Gesellschaft zu entziehen, der gerät leicht in neue Hamsterräder. Wer auf den Leistungszwang durch Arbeit verzichtet, verzichtet eben auch auf Einkommen.
Suffizienz ergibt sich via Geldmangel quasi von alleine. Wenn er oder sie sich dann aus Geldmangel keine zusätzlichen Dienstleistungen wie Haushaltshilfe oder raschen Transport leisten kann, dann ist die gewonnene Zeit auch gleich wieder dahin. Suffizienz muss man sich also auch erst mal leisten können.
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Am Freitag startet das eco.festival mit einem Kongress zum Thema «Suffizienz» und vielfältigen Attraktionen in der ganzen Stadt. Das Festival dauert vom 27. bis 29. März.