Die Genfer Polizei überwacht seit Mitte Oktober das ganze Pâquis-Quartier zwischen Bahnhof und See mit Videokameras. Zum ersten Mal in der Schweiz werden diese Bilder live ausgewertet. Trotz «Big Brother» soll der Datenschutz gewährleistet bleiben.
Zumindest an Bahnhöfen oder bei Fussballstadien haben die meisten Schweizer Städte Videoüberwachung eingeführt. Genf geht jedoch einen Schritt weiter und hat im Hauptquartier der Polizei eine Einheit geschaffen, welche diese Bilder in Echtzeit auswertet.
Der Genfer Sicherheitsdirektor Pierre Maudet (FDP) nennt das «Vidéoprotection», also «Schutz durch Videos» und nicht Überwachung. Zahlreiche Schilder in Genfer Pâquis-Quartier weisen Anwohner und Passanten darauf hin, dass das Gebiet «unter Schutz» steht.
In der neu geschaffenen Zentrale im Hauptquartier der Genfer Polizei sitzen speziell ausgebildete Polizisten jeweils vor drei Bildschirmen, auf denen die Sichtfelder der Überwachungskameras live angezeigt werden. Bisher sind 23 Kameras installiert, weitere sechs folgen bis Ende Jahr.
Es handelt sich um 16 fest installierte Kameras, 11 drehbare Kameras, eine Wärmebild-Kamera sowie eine hochauflösende Kamera. Die normalen Kameras verfügen über eine Auflösung von zwei Millionen Pixel, die hochauflösende über eine von fünf Megapixel.
Nummernschild auf 150 Meter erkennbar
Bereits mit der tieferen Auflösung kann der Mitarbeiter mit seinem Joystick zoomen, worauf beispielsweise das Nummernschild eines Lastwagens deutlich erkennbar wird. Beobachten die Videospezialisten der Genfer Polizei ein Delikt, informieren sie die Einsatzzentrale, welche eine Patrouille alarmiert.
Die Videokameras dienen nur der Ergänzung, wie Pierre Maudet am Dienstag in Genf sagte. Die Patrouillen würden nicht ersetzt. Zudem sei nicht vorgesehen, präventiv einzugreifen, wenn beispielsweise verdächtige Personen im Quartier ausgemacht werden.
Die Einsatzzentrale selber hat kein Zugriff auf die Bilder. Um den Datenschutz zu gewährleisten, bleibt der Zugang auf die Sondereinheit der Genfer Polizei beschränkt. Auch sind die von den Kameras erfassten Gebäude unkenntlich gemacht, damit die Polizisten nicht in Wohnungen schauen können.
Die Aufnahmen müssen nach jeweils sieben Tagen gelöscht werden. Nur wenn sie für ein Strafverfahren verwendet werden, dürfen sie 90 Tage oder in Ausnahmefällen sogar länger gespeichert werden.
Bilanz in zwei Jahren
Die Bilder sollen täglich 20 Stunden lang von einem oder zwei Polizisten live verfolgt werden. Die Kameras kosteten rund eine Million Franken. Für den Betrieb der Videozentrale ist pro Jahr ebenfalls knapp eine Million Franken budgetiert.
Die Genfer Polizei erhofft sich zumindest eine raschere Erfassung und Aufklärung der Delikte, wie Maudet sagte. Konkretes Interesse aus anderen Schweizer Städten gebe es in dieser Phase des Projekts noch nicht. Das dürfte sich ändern, wenn Erfahrungswerte vorliegen.
Die Universität Neuenburg begleitet die Genfer «Vidéoprotection» und soll bis in zwei Jahren Bilanz ziehen, ob die Kriminalität zurückgeht, mehr Verbrechen aufgeklärt werden und ob sich die Anwohner sicherer fühlen.
Das sei eine einmalige Chance, sagte Professor Francisco Klauser, der für die Evaluation zuständig ist. Bisher gebe es in der Schweiz kaum Studien zu den Auswirkungen der Videoüberwachung.
Falls die Bilanz gut ausfällt, kann sich der Genfer Sicherheitsdirektor Maudet vorstellen, dass auch andere Quartiere künftig von der Polizei per Video überwacht werden.