Was passiert eigentlich beim Kunstprojekt «Atopie», das seit einer Woche an verschiedenen Orten in Basel stattfindet? Es passiert Kunst. Und Politik. Und es geht um kriminelle Machenschaften.
Seit ein paar Tagen läuft an verschiedenen Orten in Basel das Kunstexperiment «Atopie». Fast drei Wochen lang bespielen flatterschafft, bblackboxx und Kaskadenkondensator die Stadt. Es geht um Kunst, Politik und die Berührungspunkte zwischen beidem.
«Passt das denn zusammen?», fragt man sich. Grund genug, eine der Veranstaltungen zu besuchen.
Donnerstag Abend in der Solothurnerstrasse 4. Im Projektraum der flatterschafft wird derzeit eine Ausstellung gezeigt, für den Abend angesetzt ist der Workshop «Glücklich werden mit Kleinkriminalität». Ein gutes Dutzend Teilnehmer hat sich bereits im «Warteraum» des Künstlerhauses eingefunden. Kurz nach fünf kann es losgehen: Zwei mit Perücken, Sonnenbrillen und falschen Bärten maskierte Gestalten betreten den Raum. Die Türen werden verschlossen, alle Handys eingesammelt – «zur Sicherheit».
Kunst oder Lehrgang für Chaoten?
«Wir sind verkleidet», stellt einer der beiden Vortragenden das Offensichtliche fest. Gefolgt von: «Kleinkriminalität ist immer noch kriminell.»
Was damit gemeint ist, wird schnell klar. Im Folgenden geht es um Ladendiebstahl, Überwachungskameras und darum, wie man Kaufhausdetektive austrickst und RFID-Chips unschädlich macht. In konsequent linker Terminologie ist nicht von «Diebstahl», sondern von «Wiederaneignung» die Rede. Interessiert lassen sich die Workshopteilnehmer zum Beispiel erklären, wie sie sich Dinge im Internet bestellen können, ohne dafür zu bezahlen.
Weiter geht es mit einer kleinen Demonstration darüber, wie man sich schnell eine taugliche Vermummung bastelt. Ausserdem geht es um Tor-Netzwerke, sichere E-Mail-Adressen, Smartphone-Sensoren, VPN und Festplattenverschlüsselung. Und als Schlussgang wird dann die gute alte Robin-Hood-Geschichte serviert. Ist das jetzt Kunst oder ein Lehrgang für angehende Chaoten?
Ob Kunst oder nicht – es gibt intensive Diskussionen
Schlussendlich ging es um nichts, was man nicht auch im Internet nachlesen könnte. Was sowohl für die Kunst wie auch für die Politik spricht: Der Workshop entfacht intensive Diskussionen. «Es wird vergessen, dass wir nicht in der bestmöglichsten Welt leben», sagt einer der Referenten nach der Veranstaltung. «Gut, dass das im Rahmen einer Performance mal thematisiert wird», sagt ein Teilnehmer. Mit «das» meint er die Systemfrage.
Ganz so grundsätzlich ordnen andere Teilnehmer den Workshop nicht ein. Ladendiebstahl wäre immerhin ein Mittel, sich Zeit für Wichtigeres freizumachen, sagt jemand. Der Robin-Hood-Vergleich sei schon etwas vereinfacht, sagt jemand anderes. Was legal ist, ist immer gleich richtig – und umgekehrt, was illegal ist, nicht immer gleich falsch, so der allgemeine Konsens.
Berührungspunkte von Kunst und Politik gibt es gar nicht so wenige.
Das Gespräch wendet sich Konkreterem zu. Für das Verbot einer Kunstperformance während der Art Basel vor zwei Wochen haben die meisten Anwesenden kein Verständnis, für den damit verbundenen Polizeieinsatz ebenso wenig. Berührungspunkte von Kunst und Politik gibt es gar nicht so wenige, stellt sich heraus. Graffiti wäre einer. Und wie war das mit den Zwischennutzungen?
Lysann König vom KünstlerInnenkollektiv «Dr. Kuckucks Labrador» ist auf jeden Fall sehr zufrieden damit, wie das Projekt «Atopie» bisher gelaufen ist. Die Vernetzung zwischen Künstlern und autonomer Szene zu verbessern, sei gut gelungen. «Es muss für alle Platz sein», gibt sie ihre eigene politische Anschauung zum Besten. Auch für Linksaussen. Utopien sind schliesslich nicht nur Sache der Kunst.