Beim Vorrücken ukrainischer Regierungstruppen gegen die von Separatisten gehaltene Stadt Slawjansk haben beide Seiten schwere Verluste erlitten. Ein Sprecher der selbst ernannten, prorussischen Volksmiliz sprach am Montag von etwa 20 getöteten Aktivisten.
Auch auf Seiten der Regierungstruppen gab es Tote, wie Innenminister Arsen Awakow sagte. Aus seinem Ministerium verlautete, dass vier Einsatzkräfte getötet und 30 verletzt worden seien.
In Slawjansk nördlich der Gebietshauptstadt Donezk sind seit Tagen ukrainische Soldaten mit Panzerfahrzeugen und Helikoptern im Einsatz. Slawjansk ist eine strategisch wichtige Stadt mit einem bedeutenden Eisenbahnknotenpunkt.
Die Separatisten rühmten sich, den Angriff der Regierungstruppen zurückgeschlagen zu haben. «Wir konnten unter grossen Anstrengungen ein Eindringen des Gegners in die Stadt verhindern. In unseren Reihen gibt es viele Tote», zitierte die Agentur Interfax am Montag einen Sprecher der Separatisten. Kugeln hätten eine Gastankstelle getroffen, die daraufhin explodiert sei, meldete die Agentur Interfax unter Berufung auf Aktivisten.
Innenminister Awakow sprach von etwa 800 bewaffneten Separatisten, die die Stellungen in Slawjansk hielten. «Sie setzen schwere Waffen ein, schiessen mit grosskalibrigen Waffen, benutzen Granatwerfer und sonstige Technik», sagte der Minister. Die Regierungstruppen hätten trotz der Gegenwehr den Fernsehturm der Stadt mit 125′ 000 Einwohnern eingenommen. Nun würden wieder ukrainische Fernsehsender ausgestrahlt.
Polizeiführung in Odessa abgesetzt
In Odessa im Südwesten des Landes setzte die Kiewer Regierung die gesamte Polizeiführung ab und entsandte Spezialkräfte mit der Bezeichnung «Kiew-1» in die multiethnische Hafenstadt. In Odessa waren am Freitag über 40 Menschen bei Krawallen getötet worden. Die meisten starben beim Brand eines Gewerkschaftsgebäudes, in dem sich prorussische Demonstranten verbarrikadiert hatten.
Die ukrainische Regierung war besonders verärgert über die Entscheidung der Polizei, 67 zumeist prorussische Demonstranten aus der Haft freizulassen. Dazu war es gekommen, als Gesinnungsgenossen am Sonntag eine Polizeistation stürmten.
Vorwurf der Kriegstreiberei an Moskau
Trotz der laufenden «Anti-Terror-Einsätze» in der Ostukraine rechnet die Übergangsregierung in Kiew kaum noch mit einer Rückgewinnung der von Separatisten beherrschten Gebiete.
Interimspräsident Oleksander Turtschinow machte dafür erneut Russland verantwortlich und warf Moskau Kriegstreiberei vor. «Es ist ein Krieg gegen unser Land im Gange vonseiten der Russischen Föderation – sowohl im Osten als auch im Süden des Landes», sagte er dem Kiewer Fernsehsender 5. Kanal.
Russland versuche die Lage vor der Präsidentenwahl am 25. Mai «völlig zu destabilisieren». Im Osten der Ukraine habe Moskau seine Pläne bereits verwirklicht. Turtschinow räumte ein, dass es in der Region viele Anhänger einer Abspaltung von der Ukraine gebe.
«Sagen wir doch mal ehrlich: Die Bürger dieser Regionen unterstützen die Separatisten, sie unterstützen die Terroristen, was die Durchführung der Anti-Terror-Operation erheblich erschwert», sagte Turtschinow. Erschwerend komme hinzu, dass die Polizei mit den prorussischen Kräften sympathisiere. «Das ist ein kolossales Problem.»
Seit Beginn der Militäroffensive in der Ostukraine am Freitag gelang es den prorussischen Separatisten nach eigenen Angaben, zentrale Gebäude in Donezk und weiteren Grossstädten wieder unter ihre Kontrolle zu bringen.
Aussenminister-Treffen am Dienstag in Wien
Der russische Aussenminister Sergej Lawrow forderte, das für diesen Dienstag geplante Aussenministertreffen des Europarats müsse bei der Umsetzung einer tiefgreifenden Verfassungsreform in der Ukraine helfen. Zudem müsse der Europarat Menschenrechtsverletzungen in der früheren Sowjetrepublik im Zuge des Machtwechsels genau untersuchen. Zu dem Treffen in Wien werden 30 Aussenminister erwartet.
In einem «Weissbuch» prangerte das russische Aussenministerium schwere Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine an. Anhänger der prowestlichen Regierung würden Gegner mit «Repressionen, physischer Gewalt und offenem Banditentum» einschüchtern. Zudem seien in der Ukraine Ultranationalismus, Extremismus und Neonazismus auf dem Vormarsch.