Bei der Häufigkeit medizinischer Eingriffe gibt es grosse kantonale Unterschiede. So werden in Uri oder im Tessin dreimal öfter Bypässe eingepflanzt als im Kanton Genf. Im internationalen Vergleich variieren die Operationsraten zum Teil noch stärker.
Im Rahmen einer Studie der OECD hat das Schweizerische Gesundheitsobservatorium (Obsan) die Häufigkeit von acht verschiedenen stationären Spitalleistungen in der Schweiz untersucht. Die grössten regionalen Unterschiede zeigten sich bei den Kniearthroskopien.
Wurden etwa in Nidwalden 2011 pro 100’000 Einwohner rund 120 Kniespiegelungen vorgenommen, waren es in Schwyz fast viermal mehr. Die Autoren vermuten eine Ursache für die grosse Bandbreite darin, dass der Eingriff immer öfter auch ambulant vorgenommen wird. Ansonsten geht die Studie nicht auf die Gründe der regionalen Abweichungen ein.
Herzpatienten kommen in Kantonen mit hohen Eingriffsraten im Durchschnitt etwa doppelt so häufig unters Messer wie in Kantonen mit zurückhaltender Praxis. Bei den koronaren Bypass-Operationen sind es im Tessin, in Uri und in Basel-Stadt über 50 von 100’000 Einwohnern, in Genf aber nur deren 17.
Viele Kaiserschnitt-Entbindungen in der Schweiz
Bei den Kaiserschnitten haben sich die regionalen Unterschiede in den letzten Jahren etwas verringert. Während im Jura, in Obwalden und in Neuenburg weniger als 275 von 1000 Kindern per Kaiserschnitt zur Welt kommen, sind es in Zug, Glarus, Schaffhausen und Solothurn über 370.
Gegenüber anderen Industrieländern weist die Schweiz mit Italien, Portugal, Australien und Deutschland mit über 300 von 1000 Geburten eine der höchsten Kaiserschnitt-Raten auf. In Finnland werden nur 181 von 1000 Kindern operativ entbunden, wie aus dem Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervorgeht.
In der Schweiz, in Australien, Finnland und Kanada bekommen viermal mehr Personen (über 200 von 100’000) ein künstliches Kniegelenk als in Israel. In Kanada werden in einer Regionen fünfmal mehr dieser Prothesen eingesetzt als im Gebiet mit den tiefsten Werten. Hierzulande variierten die entsprechenden Raten 2011 zwischen 150 (Genf) und rund 290 (Glarus) Operationen auf 100’000 Einwohner.
Warnsignal für Über- oder Unterversorgung
Auch wenn sie sich zum Teil mit unterschiedlichen Bevölkerungsstrukturen erklären lässt, weist die Kluft bei der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen für die OECD auf die Gefahr einer Über- oder Unterversorgung hin.
Auch in der Schweiz stellten sich Fragen in Bezug auf Effizienz und Gerechtigkeit des Gesundheitssystems, schreibt die Organisation. Um die Zweckmässigkeit der Pflege zu verbessern, müssen gemäss OECD für alle operativen Eingriffe klare medizinische Leitlinien entwickelt und überwacht werden.