Das Nationalstrassennetz braucht dringend eine solide Finanzierung. Der Bundesrat hat darum vorgeschlagen, einen neuen Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF) zu schaffen. Der nicht umgesetzte Netzbeschluss wirkt nun aber als Bremsklotz.
Auf Antrag des Thurgauer SVP-Ständerats Roland Eberle hat die kleine Kammer am Donnerstag beschlossen, die NAF-Vorlage an die Kommission zurückzuweisen. Der neue Fonds soll die Strassenfinanzierung auf eine solide Basis stellen. Zudem würden neue Einnahmequellen geschaffen. Der Bundesrat schlägt unter anderem die Erhöhung des Benzinpreises oder eine neue Steuer für Elektrofahrzeuge vor.
Die Vorlage enthält auch das Strategische Entwicklungsprogramm Nationalstrassen, in dem Ausbau und Fertigstellung des Nationalstrassennetzes festgelegt sind. Der Auftrag an die Kommission lautet nun, den Netzbeschluss darin zu integrieren und für die nötige Finanzierung zu sorgen.
Unpopuläre Preiserhöhung
Gerade wegen der Finanzierung ist der Netzbeschluss 2013 beim Volk durchgefallen. Mit diesem sollen 400 Kilometer Strasse, für die derzeit die Kantone zuständig sind, ins Nationalstrassennetz aufgenommen werden. Das Parlament hatte beschlossen, die dafür nötigen Mittel durch einer Erhöhung des Vignettenpreises von 40 Franken auf 100 Franken zu beschaffen.
In der Referendumsabstimmung sprachen sich über 60 Prozent der Bevölkerung und alle Kantone gegen den Preisaufschlag aus. Die Kantone blieben in der Folge jedoch auf ihren Strassen und den entsprechenden Kosten sitzen. Seit dem Urnengang kursierte daher die Idee, den Netzbeschluss gleich mit dem NAF umzusetzen.
In der Verkehrskommission des Ständerats (KVF) fand sich zunächst eine Mehrheit für das Vorgehen. Ende Juni verkündete diese, den Netzbeschluss in den NAF integrieren zu wollen. Zur Finanzierung wollte sie einen Vignettenpreis von 70 Franken vorschlagen.
Damals fehlte noch eine konsolidierte Haltung der Kantone zur ihrer Beteiligung an der Umsetzung des Netzbeschlusses. Zur Diskussion standen 60 Millionen Franken, wobei die Aufteilung unter den Kantonen völlig offen war.
Widerstand der Strassenverbände
Im August krebste die Kommission dann zurück. In einer knappen Abstimmung hatte sie entschieden, den Netzbeschluss nicht in den NAF zu integrieren. Die Reaktion der Kantone auf die Anfrage aus der Kommission sei indifferent ausgefallen und zum Teil mit unmöglichen Vorbehalten bestückt gewesen, berichtete Peter Bieri (CVP/ZG) im Ständerat. Und die Strassenverbände hätten eine Erhöhung des Vignettenpreises rundweg abgelehnt.
Dies Befragung sei «unglücklich gelaufen», sagte Claude Janiak (SP/BL). Während des Sommers habe man keine konsolidierte Meinung von den Kantonen erwarten können. Eberle plädierte aus diesem Grund für Rückweisung. Im Interesse einer tragfähigen Lösung müsse die Diskussion mit den Kantonen noch einmal geführt werden, sagte er.
Die Verknüpfung von Vignettenpreis und Strassenfinanzierung ist für Eberle kein Hindernis, im Gegenteil: Der Zuschlag könnte vom Volk gerade darum abgelehnt worden sein, weil nicht gezeigt werden konnte, was mit dem Geld geschieht. Auch Brigitte Häberli-Koller (CVP/TG) warnte, die Bevölkerung könne nur schwerlich vom NAF überzeugt werden, wenn das Nationalstrassennetz nicht klar definiert sei.
Sekundiert wurden sie von jenen Standesvertreter, die die Anliegen ihrer Kanton rasch umgesetzt sehen wollen. Verschiedene Verkehrsprojekte seien wegen der unklaren Zuständigkeit blockiert, sagte Janiak. «Deshalb müssen vom Parlament nun Fakten geschaffen und ein dringend benötigtes Signal ausgesendet werden.»
Kommissionssprecher René Imoberdorf (CSP/VS) dämpfte die Erwartungen. Viele neue Erkenntnisse seien von einer neuen Diskussion nicht zu erwarten. Er verwies auf die Motion, mit der die Kommission vom Bundesrat bis Ende 2017 eine Vorlage zur Einführung der E-Vignette und daran gekoppelt die Umsetzung des Netzbeschlusses verlangt.
Loch in der Kasse
Dies wäre auch für Verkehrsministerin Doris Leuthard ein gangbarer Weg gewesen. Die Fertigstellung des Nationalstrassennetzes sei nicht finanziert, ebensowenig die nötigen Sanierungen, die Beseitigung von Engpässen oder die Beiträge an Berg- und Randregionen.
Die Reserven gehen voraussichtlich 2018 zur Neige, weil die Ausgaben steigen, während die Einnahmen zurückgehen. Es droht eine Finanzierungslücke von 1,2 Milliarden Franken pro Jahr. Diese zu stopfen, hat für Leuthard «absolute Priorität».
So kurz nach der Abstimmung schon wieder mit einer Erhöhung des Vignettenpreises zu kommen, sei «Zwängerei» und gefährde die ganze NAF-Vorlage. Bessere Chancen für den Netzbeschluss sieht Leuthard im Zusammenhang mit der E-Vignette. Mit dieser habe man dem Volk auch etwas zu bieten.
Trotz des eindringlichen Appells der Verkehrsministerin stimmte der Ständerat mit 27 zu 14 Stimmen bei 1 Enthaltung für Rückweisung an die Kommission. Die Stimmen dagegen kamen vor allem von FDP und CVP. Nach Angaben von Leuthard führt die Rückweisung zu einer Verzögerung von mindestens einem halben Jahr.