Der ehemalige stellvertretende Chef des Rote-Khmer-Regimes in Kambodscha hat vor Gericht die Verantwortung für den Tod von 1,7 Millionen Menschen in den 70er Jahren zurückgewiesen. Er und seine Kameraden seien keine „schlechten Menschen“ gewesen, sagte Nuon Chea am Montag.
„Die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurden nicht von Kambodschanern verübt“, erklärte der Stellvertreter des Revolutionsführers Pol Pot. Es seien Vietnamesen gewesen, die Kambodschaner getötet hätten. Die Roten Khmer hätten das Land von den Reichen und Mächtigen befreit.
Der 85-jährige Noun Chea steht seit zwei Wochen zusammen mit zwei weiteren Angeklagten aus der Führungsriege der Roten Khmer vor einem von den UNO unterstützten Tribunal. Khieu Samphan, der von 1976 bis 1979 das Amt des Staatsoberhaupts ausübte, hatte die Vorwürfe bereits bei der Prozesseröffnung bestritten.
Der damalige Aussenminister Ieng Sary lehnt jede Zusammenarbeit mit dem Tribunal ab. Seine Ehefrau Ieng Thirith, die ebenfalls angeklagt worden war, wurde wegen Alzheimers für verhandlungsunfähig erklärt. Am Montag vertagte das Gericht die Verhandlung, nachdem Nuon Chea über Herzprobleme und Atemnot geklagt hatte. Die Anhörung des einstigen Chefideologen der Roten Khmer soll am Dienstag fortgesetzt werden.
Fast ein Viertel der Kambodschaner getötet
Den Angeklagten wird vorgeworfen, die Verantwortung für den Tod von fast einem Viertel der kambodschanischen Bevölkerung zu tragen. In den Jahren der Regierung von Pol Pot wurden rund eine Million Kambodschaner gezwungen, aus der Stadt aufs Land zu ziehen und in der Landwirtschaft zu arbeiten.
Viele starben an Erschöpfung und Hunger, wurden gefoltert und hingerichtet. Persönlicher Besitz war verboten, die Freiheit von Religionsausübung und der Presse abgeschafft. 1979 beendete eine von Vietnam finanzierte Konterrevolution die Herrschaft der Roten Khmer. Vietnam besetzte das Nachbarland. Pol Pot starb 1998 in Haft.
Nach Angaben des Gerichtssprechers Lars Olsen wird die Befragung der drei Angeklagten noch einige Verhandlungstage andauern, bevor Zeugen gehört würden. Der Prozess gebe den Angeklagten die Möglichkeit, ihre Sichtweise der Ereignisse darzustellen.
Bisher ist mit Kaing Guek Eav nur ein Verantwortlicher des Regimes der Roten Khmer gerichtlich belangt worden. Der ehemalige Chef des berüchtigten Gefängnisses S-21 war im vergangenen Jahr zu einer Haftstrafe von 35 Jahren verurteilt worden.