Warum ein Crewmitglied nur mit Feldstecher an Deck geht: Ein Bericht über die Faszination Vögel. Frederik Baumgarten
Als Festland-Ornithologe ist es eine grossartige Bereicherung, im offenen Meer Vögel zu beobachten. Hier gibt es Vogelarten, die nahezu ihr ganzes Leben auf hoher See verbringen und nur zum Brüten an Klippen und auf Inseln haltmachen. Viele davon, wie die Familie der Sturmtaucher, sind sehr gute Flieger, die mit ihren langen Flügeln besonders bei starken Winden und hohem Seegang elegant die Wellentäler auf und ab segeln. Andere, wie die Familie der Alke, sind mit ihren kurzen Flügeln und Schwimmhäuten ausgezeichnete Taucher.
Während unserer Reise befand ich mich also meist an Deck und selten ohne Feldstecher. An Land artete es manchmal zu Autostopps mit langen Fussmärschen und Übernachtung im Freien aus, um an bekannte Vogelrastplätze zu gelangen. Für mich ist das die schönste Art, Veränderungen unserer Umwelt intensiv wahrzunehmen.
Persönliches Highlight bleibt für mich die Meerenge von Gibraltar: An diesem natürlichen Hindernis «stauen» sich unzählige Vögel und warten auf optimale Bedingungen für den «Sprung» nach Afrika. Für Greifvögel und Geier bedeutet dies vor allem gute Thermik an Land, um sich zunächst noch über Europa hochzuschrauben und dann im Sinkflug energiesparend Afrika anzusteuern. So bekam ich Hunderte Schwarzmilane, Wespenbussarde, Schmutzgeier, Schlangenadler und einige Zwerg- und Habichtsadler zu sehen, die ich zuvor noch nie erblickt hatte.
Wieder zurück auf dem Schiff werde ich einmal mehr gefragt, was mich denn an Vögeln so interessiert? Dazu muss ich etwas ausholen.
Vögel stehen in einer oft sehr komplexen Beziehung zwischen ihrer Umwelt und den darin lebenden Pflanzen und Tieren. Jede Vogelart widerspiegelt mit ihrem Vorkommen die Grösse des intakten Lebensraumes, den sie bewohnt. Und dies ziemlich präzise, denn die schnelle Überwindung grosser Distanzen ermöglicht es Vögeln auf Habitat-Veränderungen zu reagieren und selbst isolierte, neu entstehende Lebensräume zu besiedeln. Hochspezialisierte Arten mit sehr spezifischen Ansprüchen an ihren Lebensraum reagieren entsprechend empfindlich auf dessen Störung und auf Eingriffe.
Solche Arten sind als Bioindikatoren äusserst wertvoll, denn sie geben Auskunft über die Qualität und Gefährdung eines Ökosystems. Natürlich geht mir nicht bei jedem Vogel dieser ganze Rattenschwanz durch den Kopf. Oftmals ist es einfach die Freude, eine knifflige Art bestimmt zu haben und wenigstens einen kleinen Teil unserer unvorstellbaren Biodiversität bemerkt zu haben. Und ich sehe, dass diese Begeisterung ansteckend ist…
Beitrag von Frederik Baumgarten