Vier Tage nach dem angekündigten Rücktritt von Aussenminister Didier Burkhalter zeichnen sich erste Konturen für das Profil seiner Nachfolge ab. Seit Sonntag ist auch klar, was die Bevölkerung wünscht. Sie will eine Frau, vorzugsweise aus dem Tessin.
Auf die Frage, ob eher eine Frau oder ein Mann gewählt werden soll, sprachen sich 63 Prozent der Befragten für eine Frau aus, wie aus der vom «SonntagsBlick» veröffentlichten Umfrage von 1100 Personen hervorgeht.
Eine Bundesrätin wünschen sich auch die FDP Frauen. Sie könnten aber damit leben, wenn ihr Anspruch erst beim Rücktritt von FDP-Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann erfüllt wird. Wann dieser abtritt, ist offen. Ginge es nach der Bevölkerung, möglichst bald. 69 Prozent der Befragten sprachen sich in der Umfrage dafür aus.
Für Burkhalters Nachfolge haben verschiedene Sonntagsmedien die frühere Tessiner Staatsrätin Laura Sadis ins Spiel gebracht. Ihr Manko: 2015 zog sie sich ganz aus der kantonalen Politik zurück. In der Romandie werden die Waadtländer Nationalrätin Isabelle Moret und die Waadtländer Staatsrätin Jacqueline de Quattro als erste Anwärterinnen gehandelt.
Als Kronfavorit gilt bislang aber der Tessiner Nationalrat und FDP-Fraktionspräsident Ignazio Cassis. Er hat Interesse bekundet, aber offen gelassen, ob er kandidiert.
Tessin soll Sitz erhalten
Momentan wenig bestritten wird der Anspruch des Kantons Tessin auf einen Bundesratssitz. Parteivertreter von links bis rechts haben in den letzten Tagen einen Tessiner Sitz gefordert. Weniger eindeutig sind die Meinungen in der Bevölkerung. Zwar äusserten zwei Drittel der Befragten in der Umfrage Verständnis für die Forderung des Tessins nach einem Tessiner Bundesrat.
Allerdings sind die Meinungen geteilt, aus welcher Landesregion der Burkhalter-Nachfolger kommen soll. 30 Prozent sprachen sich für das Tessin aus, je 21 Prozent aber für die Deutschschweiz oder die Romandie. Für 17 Prozent spielt die Herkunft keine Rolle, sondern nur die Fähigkeit.
Europapolitik im Fokus
Im Fokus der Diskussionen steht seit Mittwoch auch das Anforderungsprofil des künftigen Bundesrates. Obwohl noch in den Sternen steht, ob Burkhalters Nachfolger dereinst das Aussendepartement übernimmt, geben vor allem die Europapolitik und das umstrittene EU-Rahmenabkommen zu reden. Dabei kommt der künftige Aussenminister schon unter Druck, bevor er gewählt ist.
Am Wochenende sind erste Parteien mit Forderungen vorgeprescht. Nicht überraschend vertritt die SVP die klarste Position: Ein Kandidat müsse dem Rahmenabkommen abschwören. «Wer fremde Richter akzeptiert und fremdes Recht übernehmen will, ist nicht wählbar», sagt SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz in der «NZZ am Sonntag».
Europapolitische Klarheit fordert auch die SP. «Wir brauchen ein geordnetes Verhältnis zu Europa, das ist in unserem ureigenen Interesse», sagte SP-Fraktionschef Roger Nordmann in der SRF-Sendung «Arena». Aus seiner Sicht ist deshalb ein Rahmenabkommen unumgänglich.
Bedeckt halten sich die Mitteparteien. FDP-Präsidentin Petra Gössi sagte zum Rahmenabkommen in der «Arena»: «Wir kennen den Inhalt dieses Abkommens nicht, wir können also eigentlich gar nicht darüber diskutieren.» Auch die CVP ist uneinig darin, wie sie zum Rahmenabkommen steht.
Kritik an Burkhalter
Kritik an Burkhalters Europapolitik kommt auch aus den eigenen Reihen. Die St. Galler FDP-Ständerätin Karin Keller-Sutter lobt ihn zwar als gewissenhaft und pflichtbewusst. Im EU-Dossier hätte die Bevölkerung aber besser informiert werden müssen, sagte Keller-Sutter in der Sendung «Samstagsrundschau» von Radio SRF.
Im Interview mit dem «SonntagsBlick» warb Bundesrat Burkhalter für Geduld. Es sei richtig, dann zu kommunizieren, wenn der Bundesrat eine gemeinsame Position gefasst habe. Der Bundesrat hatte zuletzt am Freitag eine eingehende Diskussion über das Thema geführt, vorerst aber keinen Entscheid gefällt.
In der «Schweiz am Wochenende» rief der Aussenminister in Erinnerung, dass es nicht unbedingt einen neuen Entscheid brauche. «Wichtig für die Schweiz ist, dass sich die Regierung auf eine gemeinsame Linie einigt.» Im komplizierten Dossier der Europapolitik gebe es im Bundesrat «unglaublich viele unterschiedliche Meinungen», erklärte Burkhalter weiter.