Der Begriff «Volksverräter» ist zum deutschen «Unwort des Jahres 2016» gewählt worden. Als Vorwurf gegen Politiker sei er undifferenziert und diffamierend, erklärte die Expertenjury am Dienstag in Darmstadt.
«Volksverräter ist ein Unwort im Sinne unserer Kriterien, weil es ein typisches Erbe von Diktaturen, unter anderem der Nationalsozialisten, ist.», teilte die Sprecherin der «Unwort»-Jury, die Sprachwissenschaftlerin Nina Janich, mit. Volk stehe in diesem Zusammenhang für eine ethnische Kategorie, die Teile der Bevölkerung ausschliesse.
Unter den 1064 Einsendungen zum «Unwort des Jahres» sei der Begriff dreimal genannt worden. Die Einsendungen insgesamt zeigten, dass sich ein Grossteil öffentlicher Sprachkritik gegen einen diffamierenden Sprachgebrauch im Themenfeld Migration richte.
Als «Volksverräter» war etwa die deutsche Kanzlerin Angela Merkel auf Demonstrationen der islamfeindlichen Pegida-Bewegung beschimpft worden. Hintergrund ist die Asylpolitik der Regierung. Auch Vizekanzler Sigmar Gabriel wurde mit dem Begriff verbal angegriffen. Bei einem öffentlichen Auftritt zeigte er daraufhin mutmasslich rechtsextremen Demonstranten den erhobenen Mittelfinger.
Seit 1991 gewählt
Zum «Unwort des Jahres 2015» war der häufig von Rechtspopulisten verwendete Begriff «Gutmensch» gewählt worden. Für 2014 hatte das Gremium «Lügenpresse» ausgesucht. Im Jahr 2013 war «Sozialtourismus» das «Unwort», davor «Opfer-Abo» (2012) und «Döner-Morde» (2011).
Die Aktion gibt es seit 1991. Sie soll das Bewusstsein und die Sensibilität für Sprache fördern. Die Jury nimmt bei ihren Entscheidungen «sachlich unangemessene oder inhumane Formulierungen im öffentlichen Sprachgebrauch» in den Blick, «um damit zu alltäglicher sprachkritischer Reflexion aufzufordern».
Mitglieder der «Unwort»-Jury sind vier Sprachwissenschaftler und der Autor Stephan Hebel. Als jährlich wechselndes Mitglied war diesmal zudem die FDP-Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger beteiligt.
Neben dem «Unwort des Jahres» gibt es auch das «Wort des Jahres». Dieser Begriff wird unabhängig von der sprachkritischen Jury mit ihrer Sprecherin in Darmstadt von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) in Wiesbaden gewählt.
Für 2016 entschied sie sich für den Begriff «postfaktisch». Zur Begründung hiess es, in politischen und gesellschaftlichen Diskussionen gehe es zunehmend um Emotionen anstelle von Fakten.