Dass Profi-Snowboarder spezielle Typen sind, ist nicht immer nur Klischee. Pat Burgener erfüllt das Profil des extrovertierten Athleten ziemlich gut. Der Musiker gehört in der Halfpipe zur Weltspitze.
Pat Burgener ist gerade dabei, sich seinen grossen Lebenstraum zu erfüllen. Der Romand ist auf bestem Weg dazu, sich im dritten Anlauf endlich für die Olympischen Winterspiele zu qualifizieren. 2010 und 2014 hatten Verletzungen den 22-jährigen Waadtländer davon abgehalten. Schwere Rückschläge waren bis im Dezember 2015 praktisch ständige Wegbegleiter. Böse Zungen behaupten, es sei auch eine Folge des Lebenswandels gewesen. Er, das vielbeschäftigte Supertalent, war eine Zeit lang kaum zu bändigen, im positiven wie im weniger positiven Sinn.
Zum Wendepunkt in der Karriere Burgeners, die im Alter von 13 Jahren unter der Führung des aktuellen Nationaltrainers Pepe Regazzi («er hat mich unter seine Fittiche genommen und ist für mich wie ein Vater geworden») begonnen hatte, wurde ein Ultimatum. Im April 2015, als es um die Kaderselektionen für den folgenden Winter ging, waren die Verantwortlichen von Swiss-Ski nicht weit davon weg, Burgener auszusortieren. «Wir wussten ja um sein Talent», sagt Disziplinenchef Sacha Giger rückblickend. Aber es benötigte einen Kick.
Dieser kam in Form einer Forderung: zwei Podestplätze auf der nordamerikanischen Revolution Tour im Dezember 2015 wurden als Ziel formuliert. Burgener erfüllte – und blühte danach auf. «Er hat den Warnruf verstanden», so Giger. «Und er hat auch als Mensch eine erstaunliche Entwicklung gemacht. Aus dem ‚trouble kid‘ ist einer der anständigsten und dankbarsten Athleten unseres Systems geworden.»
Nur noch Halfpipe-Wettkämpfe
Burgener hat seit dem Mahnfinger durch den Verband mehrfach bewiesen, dass er den Vergleich mit Teamkollege Iouri Podladtchikov oder Shaun White nicht zu scheuen braucht. Am ausgezeichnet besetzten Weltcup von Copper Mountain feierte er im letzten Dezember seinen ersten Sieg, er wurde erstmals an die X-Games in Aspen eingeladen – und er ist sich sicher, dass er bei der erstmaligen Befahrung der Olympia-Pipe von 2018 in Pyeongchang gewonnen hätte, wenn er seinen letzten Sprung gestanden wäre.
Der Quantensprung in Sachen Qualität hat auch damit zu tun, dass der sportliche Fokus seit der Saison 2015/16 ausschliesslich der Halfpipe gehört. Die Verzettelung auf verschiedene Disziplinen (Slopestyle, Big Air) ist vorbei. Burgener weiss, dass er trotz der gewaltigen Fortschritte noch Rückstand hat auf seine Teamkollegen. «Die Tricks, um gut zu sein, habe ich im Repertoire. Aber ich brauche noch viele Runs.» Trainings- und Wettkampf-Kilometer quasi. Fast zwei Jahre Abwesenheit durch die diversen Verletzungen vor den letzten beiden Winterspielen (Fuss, Hand, Kreuzband) haben Spuren hinterlassen.
Ein Talent an der Gitarre
Selbiges lässt sich auch für einen zweiten, nicht unwesentlichen Aspekt in Burgeners Leben sagen. Er, der mit 17 Jahren die Schule zugunsten einer Profikarriere abgebrochen hatte, wollte wieder lernen. Burgener begann nach der verpassten WM-Qualifikation 2015, sein vorher schon gutes Gitarrenspiel zu intensivieren. Er schrieb sich am Lausanner Konservatorium und an der Jazzschule ein, es folgten erste Konzerte. Stets dabei waren seine beiden Brüder. Musikstudent Max, der Jüngere, als Mitglied der Band, Marketing-Fachmann Marc-Antoine, der Ältere, als Organisator und Planer.
Der Erfolg blieb nicht aus. Im letzten Jahr gab Pat Burgener rund 25 Konzerte, seine eingängigen, eher ruhigen Songs wurden auch von den grossen nationalen Radiostationen gespielt. Im Frühling erscheint das erste Mini-Album, die EP beinhaltet fünf Lieder. Das eigentlich Verrückte an Burgeners Vita ist, dass der kreative Westschweizer quasi ein Parallelleben führt. Ein Beispiel? Am Laax Open 2017 stand er mit seiner Band als einer der Hauptacts gegen Mitternacht auf der Bühne. Tags darauf fuhr er im Final mit, im Gegensatz zum Vorjahr (2.) reichte es diesmal nicht für einen Podestplatz.
Seine Trainer oder die Snowboard-Verantwortlichen bei Swiss-Ski haben gar nicht erst versucht, Burgener sein für Aussenstehende sehr kräfteraubend wirkendes Programm auszureden. «Er ist ein Künstlertyp und braucht diesen Ausgleich», sagte Sacha Giger. «Auch wenn es nach aussen vielleicht nicht so aussehen mag: Pat ist auch als Sportler äusserst ehrgeizig.» Burgener selber sieht die Musik als Elixier. «Mit den Leuten an einem Konzert verbunden zu sein, gibt mir unglaublich viel Energie. Musik zu machen ist ja keine physisch anstrengende Aktivität, ich kann meine Batterien bestens aufladen. Vor wichtigen Contests mit Konzerten abzuschalten und sich abzulenken, ist das Beste für mich.»