Vom Schnudergoof zu Clooney – ein Porträt von Joel Basman

Mit 17 an der Berlinale, mit 24 an der Seite von George Clooney: Schauspieler Joel Basman ist ein Durchstarter, der seinen Vater als Vorbild genauso schätzt wie die Rebellion. Nun spielt er in «Vielen Dank für nichts» einen Behinderten. Joel Basman war noch nicht mal mündig, als er seinen Durchbruch hatte: Nach seinem Auftritt in […]

«Ist doch irgendwie Punk»: Joel Basman liebt die Arbeit am Set desto mehr, je chaotischer sie sein darf.

Mit 17 an der Berlinale, mit 24 an der Seite von George Clooney: Schauspieler Joel Basman ist ein Durchstarter, der seinen Vater als Vorbild genauso schätzt wie die Rebellion. Nun spielt er in «Vielen Dank für nichts» einen Behinderten.

Joel Basman war noch nicht mal mündig, als er seinen Durchbruch hatte: Nach seinem Auftritt in «Tausend Ozeane» von Luki Frieden vertrat er die Schweiz als European Shooting Star an der Berlinale. Dieses Jahr war der 24-jährige Zürcher neben George Clooney und Co. in «The Monuments Men» zu sehen. Kaum gross geworden und schon ganz oben dabei.

Dabei fiel Basman zunächst durch schweigsame Rollen auf. Und auch im Leben ist ihm Schweigen nicht unangenehm. Auf lange Fragen gibt er kurze Antworten. Meist senkt er den Blick, als suche er mit den Augen etwas am Boden. Erst wenn die Rede auf seine Lieblingsfilme kommt, «Ex Drummer» oder «The Punk Syndrome», hellen sich seine Gesichtszüge auf. Dann ist eine Sehnsucht nach Rebellion zu spüren: Da sprudelt es aus ihm heraus, er wedelt mit den Händen und braucht plötzlich Platz für drei zum Reden.

Mit Nähen die Füsse auf dem Boden halten

Den Rebellen hat er in sich, doch die Hochachtung für die Eltern nicht verloren. «Mein Vater hat zu mir gesagt: Bis du 18 bist, bin ich dein Vater. Bis dahin machst du, was ich will – danach bin ich weiter dein Vater, aber du kannst dann machen, was du willst.» Das klingt unheimlich, doch Basman nahm sich den Wunsch der Eltern zu Herzen: die Bodenhaftung nicht zu verlieren.

Während er als Teenager an der European Film Actor School in Zürich studierte, half er in der Kleider-Werkstatt der Eltern, die in Zürich ein Modegeschäft betreiben. Bald entwarf er auch selber Kleider. Die waren, wie er sich selber sah – unauffällig. Erst bei genauem Hinschauen fällt die Qualität auf. Basman arbeitete in der Kleiderproduktion, weil ihm der Beruf des Schauspielers zu luftig schien. Dennoch arbeitete er an sich selbst in seinen Rollen weiter: Ihm war längst klar, dass er nicht bloss ein Shooting-Star sein wollte.

Rollen wie Kleidungsstücke

Über Rollen redet er nicht gern. Die spielt er lieber. Am wohlsten scheint er sich zu fühlen, wenn er über Klamotten spricht, über eine doppelt gefasste Naht, über eine Cupro-Mischung, über eine Revers-Teilung.

Basman ist es seit der Kindheit gewohnt, im Modegeschäft seiner Eltern die Stecknadeln mit Magneten aus den Holzritzen des Fussbodens zu zirkeln, oder die Knöpfe in der Knopflade zu sortieren. Er überlässt es noch heute seinem Vater, gewisse Details bei der Anprobe zu stecken. Auch als Schauspieler ist er auf der Suche nach dem passenden Schnittmuster für sich.

«Ich suche Rollen aus wie Kleider. Ich folge dem Bauch. Ich liebe es, wenn Menschen meine Kleider tragen. Und ich freue mich, wenn eine Rolle zu mir passt. Ich habe viel über Kleider und Menschen von meinem Vater gelernt: Er weiss von jeder Kundin die Kleidergrösse.» Wie sein Vater hat Basman gelernt, die Kleidergrössen seiner Rollen zu beurteilen: «Als Nächstes spiele ich in ‹Land of Mine› einen deutschen Kriegsgefangenen in Dänemark. Mist, dachte ich, nicht schon wieder Juden und Drittes Reich. Dann habe ich das Buch gelesen. Wow!»

Mit Bedacht und Bauchgefühl

Er ist einer, der seinem Bauch mehr vertraut als andere ihrem Kopf: Er liest ein Drehbuch, und wenn es ihn interessiert, fragt er nicht, wer den Film dreht. Er will einfach unbedingt dabei sein. Und wenn ihn George Clooney für die Hauptrolle von «The Monuments Men» castet, ihm dann aber eine Nebenrolle anbietet, ist er sich dafür nicht zu schade. Der Film gibt ihm recht, die Szene mit Bill Murray und Bob Balaban steht wie ein Extra-Kurzfilm für sich.

Zugleich wählt Basman seine Rollen mit Bedacht. «Ich lerne mit jeder Rolle mehr, mich in Form zu halten. Mich selber weiter zu bringen.» Basman sucht Lernplätze. «Dabei war ich immer froh, wenn ich nicht viel zu sagen hatte.» In «Jimmie» von Tobias Ineichen spielte er einen Autisten. Dann kam mit «Vielen Dank für nichts» eine neue Herausforderung: eine Rolle unter wirklichen Behinderten.

Rasch stellte er fest: «Die Jungs in den Rollstühlen sind professioneller als ich. Die haben mir die Wirklichkeit voraus. Nikki Rappl und Basti Wurbs sind so stark in ihrer Realität wie grosse Schauspieler in der Fiktion. Ich liebe sie dafür, dass sie so direkt und klar sind.»

Aus Improvisationen entstanden

Die Regisseure Oliver Paulus und Stefan Hillebrand haben die Story für «Vielen Dank für nichts» zusammen mit den drei Protagonisten entwickelt. Doch auf dem Dreh improvisierten sie fast alles. «Vor manchen Drehtagen war nur das Kostüm sicher», sagt Basman. Paulus gibt auch zu, dass er manchmal noch nicht einmal den Drehort für den nächsten Tag kannte: «Die Gerichtsszene hat der Produktionsleiter in der Nacht zum Vortag organisiert. Am nächsten Morgen hat uns der Richter die Tür geöffnet, und ein Anwalt hat spontan die Dialoge juristisch wasserdicht gemacht.»

Aus diesem Grund hat das Schweizer Fernsehen das Projekt nicht unterstützt. Zu viel Wagnis, zuviel Risiko. Doch Basman liebt genau das am Filmen: «Nicht wissen, was jetzt kommt. Aber sich voll darauf einlassen. Ist doch irgendwie Punk.» 

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«Vielen Dank für nichts» läuft im kult.kino Atelier. Was läuft sonst im Kino? Zum Programm.

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