Von Beastie Boys bis Body Count: Die Goldenen Jahre des Crossover

Am 9. Juni treten Body Count feat. Ice-T in Pratteln auf. Guter Grund, auf die glorreichen Crossover-Klassiker zurückzublicken: von Rage Against The Machine, Faith No More über Chili Peppers bis Cypress Hill. «Bisch Räp oder Heavy?» Wer in den späten Achtzigern ins Teenageralter vorstiess, musste diese Schicksalsfrage irgendwann beantworten. Bis diese Pole zusammenfanden und ein […]

Er ist zurück: Ice-T gastiert am 9. Juni mit Body Count im Z7. 

Am 9. Juni treten Body Count feat. Ice-T in Pratteln auf. Guter Grund, auf die glorreichen Crossover-Klassiker zurückzublicken: von Rage Against The Machine, Faith No More über Chili Peppers bis Cypress Hill.

«Bisch Räp oder Heavy?» Wer in den späten Achtzigern ins Teenageralter vorstiess, musste diese Schicksalsfrage irgendwann beantworten. Bis diese Pole zusammenfanden und ein Genre schufen, das innert eines Jahrzehnts wieder kollabierte. Dazwischen war dieser Crossover ein paar Jahre lang etwas vom Aufregendsten, was Alternative Rock zu bieten hatte. Body Count mit Frontrapper Ice-T gehörten zu den ersten, die harten Rap über ebenso gestählte Gitarren bellten, und sie tun es noch immer: Am 9. Juni treten sie im Z7 auf – zur Einstimmung eine Rückschau auf die Goldenen Jahre des Raprock.

1. Die Anfänge: «Fight For Your Right To Party!»

Ein Paukenschlag: «Licensed To Ill», das Debüt der Beastie Boys 1986, war die erste Rap-Platte an der Spitze der US-Charts. Das New Yorker Trio, dessen Wurzeln im Punk und Hardcore lagen, hat die roh verzerrte Gitarre nicht vergessen. «Fight For Your Right (To Party)» und «No Sleep Till Brooklyn» blieben Klassiker in ihrem Repertoire. Ihre Clips zeigen noch immer, wie sie den Gegensatz von Rap und Rock ironisch auf die Spitze getrieben haben.

Apropos Ironie: Aus derselben Zeit stammt eine kuriose, mittlerweile zum 80ies-Klassiker gereifte Kollaboration von Aerosmith und Run D.M.C., in der die beiden Genres augenzwinkernd gegeneinander ausgespielt wurden. Es war denn auch nicht der damals kommerziell noch höchst erfolgreiche, aus den Siebzigern stammende Hardrock, der sich schliesslich offen für Rap zeigte, sondern die härteren und schnelleren Subgenres Thrash- und Speed-Metal. Die Kalifornier Anthrax spielten 1987, ein Jahr nach dem Debüt der Beastie Boys, ihre EP «I’m The Man» ein, deren Titelstück den Crossover der Beastie Boys persiflierte. Vier Jahre später griffen auch sie zur Kollaboration und legten mit Public Enemy deren Erfolgstrack «Bring The Noise» neu auf. Von Ironie war da nicht mehr viel zu sehen – das Genre war auf dem Weg, eine bedeutende Grösse im Alternative Rock zu werden.

2. Rage Against The Machine

Keine andere Band hat die Aura des Crossover derart geprägt wie Rage Against The Machine. Zack De La Rocha, der Mann am Mikrofon, definierte mit Dreadlocks, Che-Guevara-Shirt, Armeeshorts und Chucks an den Füssen den Look und die politische Verortung des Stils. De La Rochas Texte, die vom alltäglichen «Battle in Los Angeles» berichteten, griffen die soziale Ungleichheit in den USA auf, bezogen deutlich und zornig Stellung gegen Polizeigewalt im Konkreten («Bullet In Your Head») und gegen das kapitalistische System im Allgemeinen, in dem das weisse Amerika die Schwarzen und südländischen Einwanderer um ihre Teilhabe bringt.

«Wie Grunge verkörperte auch der Raprock eine Gegenkultur, die auf offene Ohren traf und zum Soundtrack der Trendsportarten Skate- und Snowboard wurde.»

Auf dem Debüt von Rage Against The Machine (1992) werden die Schnittstellen, die der Raprock mit dem politischen Rap eines Chuck D. oder Ice-T hat, offenbar. Dass sich dieser wütende Rock mit seinen brachialen Riffs als passende musikalische Form erwies, hatte Ice-T schon gemerkt: seine Solokarriere stellte er für ein paar Jahre zurück, um mit Body Count – als einer der ersten des Genres – die Aggressivität der Gitarren als Tragfläche für seine zornigen Texte zu benutzen. Wie der Grunge verkörperte auch der Raprock eine Gegenkultur, die auf offene Ohren traf, schnell Anschlussfähigkeit an die Trendsportarten Skate- und Snowboard bewies und im (damaligen) Musiksender MTV eine grosse Plattform fand, die diese Jugendkultur grosszügig unter die Leute brachte.

3. Red Hot Chili Peppers

Das Quartett um Sänger Anthony Kiedis und den Ausnahmebassisten Flea vollzog den Weg aus dem tiefsten Underground hin zur Headliner-Grösse. Den Starstatus haben sie primär mit ihren balladeskeren Titeln wie «Scar Tissue» und «Under The Bridge» erarbeitet, ihre Anfänge liegen jedoch in einem damals abseitigen Crossover aus Rap, Punkrock und Funk. Dass sie diese Fusion von Anfang an suchten, war bereits am Personal ihrer ersten Alben in den tiefen Achtzigern erkennbar: Das selbstbetitelte Debüt wurde von Andy Gill produziert, der zuvor als Mitglied von Gang Of Four den Groove des Funk in den Punk gebracht hatte; vor allem aber das Zweitwerk «Freaky Styley» legte die musikalische Vitalität dieser Band offen. Kein Wunder: am Produzentenpult sass diesmal George Clinton – als Ahnherr des Psychedelic Funk eine erfahrene Grösse, wenn es darum geht, unnötige Stilbarrieren niederzureissen. Den Durchbruch schafften Red Hot Chili Peppers schliesslich 1991 mit «Blood Sugar Sex Magik» – nicht nur kommerziell, sondern auch stilistisch. So elaboriert und geladen wie auf diesem noch immer reichlich rohen Diamanten des Funkrock klangen sie nie wieder. Der Weg war gemacht: Von nun an warteten die Stadien.

4. Faith No More

Wenig andere Bands jener Epoche haben sich das Prinzip Crossover derart einverleibt wie Faith No More. Mit ihrem zweiten Album «The Real Thing» (und erstmals mit Mike Patton am Gesang) schweissten die Kalifornier Rap, harte Gitarren und griffige Melodien 1989 zu einer Zeit zusammen, als von Rage Against The Machine und Konsorten noch nichts zu hören war. Faith No More navigierten zwischen den verschiedenen Subgenres des Alternative Rock, wurden wahlweise dem Grunge, dem Raprock und, später, dem Progressive Metal zugerechnet. Konstant blieb vorläufig der Erfolg: «Angel Dust», ihr drittes und von Kritikern als «bizarres Meisterwerk» am meisten geschätzte Album wurde vom Metalmagazin «Kerrang!» noch zehn Jahre später als einflussreichstes Rockalbum der vergangenen 50 Jahre gefeiert. Und in Europa hatte es einen erstaunlich zarten Hit vorzuweisen: «Easy», eine Soulballade von Lionel Richie. Metal goes Motown Soul – ein wahrlich weit gedehnter Crossover.

5. Cypress Hill


Es geht auch anders rum, anstatt als Gitarrenband auf einmal einen Rapper ans Mikrofon zu stellen: Das Trio Cypress Hill hat mit seinem Debüt nicht nur die Latino-Gemeinde mit dem US-Rap zusammengeführt, sondern mit eigenwilligem Hip-Hop auch die Alternativrocker abgeholt, ohne eine Rockplatte vorzulegen. Zu verdanken ist das stampfend-meditativen Beats, den Gitarrenloops und ihrer ausgeprägten «Stonedness», die jenseits der Genregräben angekommen ist. Auf ihrem bahnbrechenden Erfolgsalbum «Black Sunday» (1993) finden sich Titel wie «Hits From The Bong» mit dem eröffnenden Geschlürfe von der Wasserpfeife oder das abgedrehte «I Wanna Get High» – die Tonspur für jene Jahre, in denen man in der Schweiz mit Gras gestopfte «Duftsäcklein» an jeder Ecke kaufen konnte. «Black Sunday» zeigt darüber hinaus offene Sympathie für den Metal, insbesondere für jenen von Black Sabbath: Albumtitel, -cover sowie die Ausstattung des Tracks «I Ain’t Going Out Like That» zitieren unverschleiert die Ästhetik der Metal-Pioniere um Ozzy Osbourne. Cypress Hill haben auch anderen unter die Arme gegriffen, als Produzenten unter anderem House Of Pain zu deren Hit «Jump Around» verholfen.

6. «Judgment Night»


1993 erschien ein mittelmässiger Gangsterfilm mit einem Aufsehen erregenden Soundtrack: «Judgment Night» war als Film bald wieder vergessen, die begleitenden harten Tracks erlangten jedoch Kultstatus und verkörperten, wofür der Crossover aus Rap, Rock und Punk stand. Einige der angesagtesten Namen der damaligen Alternativszene verbrüderten sich hier: Sonic Youth und Cypress Hill, Teenage Fanclub und De La Soul, Dinosaur Jr. und Del Tha Funkee Homosapien. Warum diese schwergewichtigen Kollaborationen ausgerechnet für so einen lausigen Streifen zusammengefunden haben, bleibt ein grosses Rätsel, für die Goldenen Jahre des Crossover bildete der überaus erfolgreiche Soundtrack jedoch einen der letzten Höhepunkte, bevor das Genre explodierte, um die Welt ging und in diverse Nischen zerfiel.

7. Die Europäer

Was in den USA blüht, schwappt bald einmal nach Europa über. England, in den frühen Neunzigern komplett mit Madchester und Britpop beschäftigt, liess den Crossover-Trend aus, aber in anderen Ecken des Kontinents stiess das Genre auf fruchtbaren Boden. In Schweden sorgen Whale und vor allem die harte Schiene von Clawfinger für die grossen Erfolge, in Holland orientiert sich die Urban Dance Squad an den Funk-Einflüssen der Red Hot Chili Peppers. Vor allem aber in Deutschland findet die Verbindung aus Rap und Metal starke Resonanz: Die Münchner Freaky Fukin Weirdoz versuchen sich als erste darin und nutzen den Crossover als Plattform für ihre Kifferfantasien. Nachfolger wie H-Blockx und Headcrash profitieren davon und walzen sich mit ihren dicken Bässen und kantigen Riffs in die Charts. Als schliesslich die ersten deutschsprachigen Bands wie Such A Surge in der Szene auftauchen und den revoltierenden Duktus von den amerikanischen Vorbildern übernehmen, wird deutlich, dass hier ein Sound rasend globalisiert worden ist. Davon können selbst die Pioniere des Deutschrap, die Fantastischen Vier, nicht die Finger lassen.

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Z7, Pratteln: Body Count feat. Ice-T, 9. Juni, 20 Uhr.

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