Sie haben drei Sachen gemeinsam: Tiefe Stimmen, italienische Texte – und internationalen Erfolg. Die inbrünstigen Cantautore namens Celentano oder Cutugno. Letzterer singt heute in Basel (Stadtcasino, 21 Uhr). Zur Einstimmung erinnern wir an seine und andere Italopop-Klassiker.
Sie haben drei Sachen gemeinsam: Tiefe Stimmen, italienische Texte – und internationalen Erfolg. Die inbrünstigen Cantautori namens Celentano, Conte oder Cutugno. Letzteren gibts live auf die Ohren: Heute Abend um 21 Uhr gibt Toto Cutugno, mittlerweile 70-jährig, ein Gastspiel im Stadtcasino Basel.
Das hat uns dazu animiert, in der Plattenkiste zu wühlen, und die grossen Canzoni der grossen Barden mit den tiefen Stimmen hervorzukramen. Unvergessliche Italopop-Klassiker? Va bene! Wir lancieren den Reigen mit Cutugnos bekanntestem. Bühne frei für sieben akustische Ferienerinnerungen:
Toto Cutugno: «L’italiano» (1983)
«Lasciatemi cantare, con la chitarra in mano!», sang Cutugno vor 30 Jahren fordernd – und verschaffte sich ordentlich Gehör. Zwar kam er am damals international stark beachteten Sanremo-Festival nicht über den 5. Platz hinaus. Doch seine schon fast nationalistische Hommage an die Heimat eroberte ganz Europa. Markant der raue Gesang, gross die Ohrwurmqualität und eingängig der Text – all das machte den Canzone zum Evergreen.
Der Text stammt übrigens aus der Feder von Cristiano Minellono, der es geschafft hat, Politik und Pasta in einen Reim zu pressen: «Buongiorno Italia gli Spaghetti al dente – un partigiano come presidente». Mit dem Partisanen war der damalige Staatspräsident Sandro Pertini gemeint. Unverfänglicher, dieses Loblied auf Italien, als das nachdenklichere «Viva l’Italia» von Francesco de Gregori, das vier Jahre zuvor veröffentlicht worden war. Unvergesslich sind beide.
Adriano Celentano: «Svalutation» (1976)
Natürlich darf er nicht fehlen in einer Italopop-Liste: Adriano Celentano. Was hat uns der Mailänder nicht alles beschert? Unvergessliche Canzoni einerseits, herrlich-dämliche Filme andererseits – Stichwort: Bingo bongo! Eine italienische Schnittstelle von Elvis Presley und Jerry Lee Lewis also, dieser Celentano. Welches Müsterchen bringen? Zunächst dachte ich an die kussreichen «24’000 Baci», dann – natürlich unvermeidlich – «Azzurro». Entschieden habe ich mich aber für «Svalutation», eine Wortschöpfung, die es im Englischen so nicht gibt. Celentano hat damit nicht nur die Amerikanisierung Italiens aufgegriffen, sondern mit «Svalutazione» auch den Zustand Italiens angeprangert. Keine Glorifizierung des Landes wie bei Cutugno, sondern Kritik liest man hier heraus, steht Svalutazione doch für die Abwertung im ökonomischen Sinn. Nicht nur die Währung (remember Lire?!) bereitet ihm Sorgen, auch die Kriminalität, der Benzinpreis, die Politik allgemein. Egal wer regiert, die Probleme bleiben, singt Celentano und erwähnt einen Zustand, von dem man in den vergangenen Jahren wieder oft gehört hat in Italien: «Siamo in crisi!». In jedem Sinn ein italienischer Klassiker also!
Paolo Conte: «Via Con Me» (1981)
Weil ich vorher «Azzurro» erwähnte – dieser Mann hier hat den Über-Canzone vor mehr als 50 Jahren geschrieben: Paolo Conte. Auch er lebt noch immer, singt noch immer, swingt noch immer – mit seinen 77 Jahren und seinem lässigen Baritongesang, der Knie weich werden lässt. Man könnte ihn glatt als Leonard Cohen Italiens bezeichnen. It’s wonderful!
Edoardo Bennato: «Viva la Mamma» (1989)
Der hat uns grad noch gefehlt: «Viva la mamma», Edoardo Bennatos Ode an die Mutter. Immer wieder erstaunlich, wie gerne die Italiener Klischees erfüllen. Andererseits lohnt hier der Blick von der Oberfläche in die Details des Textes, denn Bennato erinnert darin an die Leistungen einer ganzen Generation Mütter: Er lobt die Manieren, die Haltung der Mütter in den Nachkriegsjahren, jenen Müttern wie seiner, die in den 1950ern mit beiden Füssen auf dem Boden standen und dazu beitrugen mussten, das am Boden zerstörte Land wieder aufzubauen.
Zeitgleich elektrisierte der Rock, der aus den Jukeboxen erklang, die Jugend – so auch Bennato, der 1947 zur Welt kam – diese hob zum Rock ab, träumte sich in eine neue Welt. Und besinnt sich nun zurück, dass ihnen die Erfüllung ihrer Träume durch ihre Mütter überhaupt erst möglich wurde. Es ist eine nostalgische Nummer, die als Ode auf die Tradition und die Moderne zugleich funktioniert. Ewige Werte, ganz gegenwärtig. Ganz geschickt, also auch. Denn die Mutter hochleben zu lassen, das tut man ja eigentlich immer zu wenig. Daher replay, replay, replay!
Umberto Tozzi: «Gloria» (1979)
Er fehlt noch in dieser Liste: Umberto Tozzi. Wie fast alle in dieser Liste begann er als Rockmusiker, ehe er sich dem Schlager zuwandte. Oder, in diesem Fall, der Disco: Mit «Gloria» schrie sich der Turiner 1979 auf die Tanzflächen unserer Längengrade. Dies, nachdem er zwei Jahre zuvor mit «Ti Amo» schon einen unvergleichlichen Heuler herausgebracht hatte. Einige von Tozzis Hits schafften sogar den Sprung über den Atlantik. Im Fall von «Gloria» aber nicht in der Originalversion. Die New Yorker Sängerin Laura Branigan spezialisierte sich aufs Covern von Italohits: «Gloria» etwa, noch erfolgreicher aber wurde ihre Version von «Self Control» (im Original von Tozzis Kumpel Raf).
Toto Cutugno: «L’été indien (Africa)» (1975)
Auch Toto Cutugno hat Hits geschrieben, die durch andere bekannter wurden. Bestes Beispiel dafür ist «L’été indien», ein Schmachtfetzen, den der Franzose Joe Dassin mit hinreissendem Barry-White-Charme und orgiastischem Trompetensolo 1975 zum Welthit machte. Kurz zuvor hatte es in Italien die Gruppe Albatros veröffentlicht. Co-Komponist Cutugno interpretierte das Stück erst später im Studio. Dieses Video zeigt eine neuere Live-Version, wie man sie wohl auch bei seinem Gastspiel in Basel erwarten darf: Erstaunlicherweise in französisch gesungen – und so überzuckert und im Kitsch aufgequollen wie ein zu gut gemeinter Panettone.
Toto Cutugno: «Insieme: 1992» (1990)
Man kennt das Stück in ganz Europa. Und genau das war auch Toto Cutugnos Ziel. Denn hatte er 1983 noch Italien mit Pathos eingerieben, so war 1990 ganz Europa an der Reihe: «Unite, unite, Europe» sang er in seinem Beitrag für den Eurovision Song Contest. Kurz zuvor war in Berlin die Mauer gefallen und damit allen klar, dass unser Kontinent politisch neu definiert würde. Cutugno ging mit gutem Kalkül voran und mit der Vereinigungshymne an den Eurovision Song Contest. Er gewann – logischerweise, ist man schon fast versucht zu sagen, denn die euphorische Botschaft stiess – natürlich zu dieser Zeit auf besonders offene Ohren. Allzu berechnend also? Vielleicht. Aber gerade wir Schweizer wissen: Einen ESC-Sieg muss man zuerst mal nachmachen. Von daher Chapeau, Toto! Oder passender: Tanto di Cappello!