Aktuell flattern die Angry Birds über die Kinoleinwand, Orks und Menschen greifen einander in «Warcraft: The Beginning» an. Die Gemeinsamkeit: Es sind verfilmte Videospiele. Hat das lang prophezeite Zeitalter der Game-Verfilmungen begonnen?
Aktuell flattern die Angry Birds über die Kinoleinwand, Orks und Menschen greifen einander in «Warcraft: The Beginning» an. Die Gemeinsamkeit: Es sind verfilmte Videospiele. Hat das lang prophezeite Zeitalter der Game-Verfilmungen begonnen?
Ein Rückblick
In den Achtzigerjahren begann die Erfolgsgeschichte der Computer und damit auch diejenige der Computerspiele. Dass Kinofilme und Spiele eine ähnliche Zielgruppe haben, wurde früh erkannt. Und von Anfang an wurden fleissig Filmlizenzen gekauft und zu (meist miserablen) Spielen verarbeitet. Ein erster Tiefpunkt war «E.T. – The Extraterrestial». Es gilt noch heute als eines der schlechtesten Spiele aller Zeiten.
Tausende Kopien des Spiels wurden in der Wüste von Nevada begraben, und man geht heute davon aus, das Spiel sei einer der Hauptgründe für den grossen Crash der gesamten Industrie 1983. Doch die sogenannten «Movie-Tie Ins» waren damit noch lange nicht ausgezählt. Unzählige Kinofilme verkamen zu lieblosen 0815-Spielen.
Die Spielindustrie gedieh indes prächtig weiter und bald wurde der Spiess umgedreht: 1993 kam der Film «Super Mario Bros.» in die Kinos. Erstmals basierte ein Film mit bekannten Hollywood-Grössen auf einem Videospiel – und er floppte gewaltig. Auf ein für damalige Verhältnisse grosses Budget von 48 Millionen Dollar kamen Gesamtumsätze von knapp 20 Millionen.
Die abstruse Geschichte rund um Parallelwelten und Dinosaurier mit einem grauenhaft agierenden Cast rund um Bob Hoskins und Dennis Hopper hatte ausser den Namen kaum etwas mit der knuddeligen Welt von Mario und seinen Freunden gemein. Hoskins selbst bezeichnete den Film später als das schlimmste Ereignis seiner Karriere. Heute geniesst der Titel einen gewissen Kultstatus und gilt als Wegbereiter des neuen Filmgenres.
In den späten 1990er-Jahren waren es dann vorwiegend Action- und Prügelspiele, die zu Kinofilmen entwickelt wurden: «Street Fighter», «Mortal Kombat» oder «Wing Commander» hiessen die entsprechenden Streifen. Die Strategie ging auf und die Einnahmen stiegen, wenngleich die cineastische Qualität jeweils mehr als fragwürdig war.
Damit war die Bahn frei für den ersten richtigen Blockbuster: «Lara Croft: Tomb Raider». Die erste Videospiel-Heldin hatte ihren Auftritt auf der grossen Leinwand im Sommer 2001. Die Hauptrolle wurde mit der jungen Angelina Jolie besetzt, welche im Jahr zuvor bereits einen Oscar gewonnen hatte. Das Spektakel überzeugte zwar nicht die Kritiker, doch das Publikum war begeistert. 275 Millionen Dollar spielte der Film in die Kassen und wurde zwei Jahre später mit «The Cradle of Life» fortgesetzt.
2010 erschien die bis heute erfolgreichste Videospielverfilmung: «Prince of Persia: The Sands of Time». Jake Gyllenhaal verkörperte den Titelhelden. Der Film war einigermassen unterhaltend und gut inszeniert. Das Rezept ging auf. Hollywood hatte endgültig Blut geleckt.
Ein weiterer Grund für das wachsende Interesse der Filmindustrie entwickelte sich abseits der breiten Öffentlichkeit: Die «Resident Evil»-Reihe.
«Resident Evil» ist eine Horror-Spielreihe, die sich seit 1996 grosser Beliebtheit erfreut. Die dazugehörigen Filme geniessen auch den Respekt der Fangemeinde, was wohl nicht zuletzt an der schönen Model-Hauptdarstellerin Milla Jovovich liegt. Die Filme wurden jeweils für ein moderates Budget realisiert, spielten aber konsequent ein Mehrfaches davon ein. Nächstes Jahr soll der finale Film ins Kino kommen.
Hollywood muss sich neu erfinden
Obwohl sich die Rekordmeldungen der Marvel-Comicverfilmungen überschlagen, ist mittlerweile eine gewisse Sättigung spürbar. Die Zuschauer werden sich in absehbarer Zeit nach etwas Neuem sehnen. In den Hinterzimmern der grossen Studios wird am nächsten grossen Ding getüftelt.
Wer aufmerksam die Finanzmeldungen der Unterhaltungsindustrie verfolgt, weiss, wo das ganz grosse Geld umgesetzt wird. 80 Milliarden schwer ist die Spielindustrie geworden, das ist das Doppelte der US-Filmindustrie. In eSports-Turnieren werden Millionenpreisgelder bezahlt. Kein Wunder also, dass fleissig Allianzen geschmiedet werden.
2016 könnte als Startschuss der Verschmelzung von Spiel und Film in die Geschichtsbücher eingehen. «The Angry Birds Movie» ist nur ein Vorbote dessen, was uns in den nächsten Jahren erwartet. Wer das Spiel nicht kennt: Im finnischen Handheld-Spiel geht es darum, Vögel mit einer überdimensionierten Schleuder in Gegenstände krachen zu lassen, sodass am Ende eine Gruppe grüner Schweine davon getroffen wird.
Daraus einen Film zu basteln scheint unmöglich, aber wir sprechen schliesslich von der Traumindustrie. Hier werden aus Luft Schlösser gebaut (und anschliessend möglichst spektakulär zerstört). Dem Publikum scheint’s jedenfalls zu gefallen, hat der Film doch in den nichtamerikanischen Märkten bereits über 50 Millionen eingespielt.
«Warcraft: The Beginning» ist von noch grösserer Bedeutung. Das Online-Rollenspiel «World of Warcraft» spielte dem Spielstudio Blizzard über eine Milliarde Dollar in die Kassen – pro Jahr. Es ist das erfolgreichste Spiel aller Zeiten und so musste irgendwann eine Verfilmung folgen.
Das nur mit Monatsabonnement spielbare Universum erzählt die Geschichte eines grossen Krieges zwischen Orks und Menschen, angereichert mit viel Magie und Monstern. Regie bei der Kinoversion führt David Bowies Sohn Duncan Jones, ein erklärter Fan des Spiels und dank «Source Code» und «Moon» ein durchaus respektierter Filmemacher. Die ersten Reaktionen auf «Warcraft» sind positiv, der Film könnte also Fans und Nichtkenner der Materie überzeugen, und ein Sequel ist bereits angedacht.
Ende des Jahres steht schliesslich Assassin’s Creed an und damit der endgültige Eintritt der Spiele in die Königsliga: Michael Fassbender, Marion Cotillard und Jeremy Irons vor, «Macbeth»-Regisseur Justin Kurzel hinter der Kamera. Die Grundlage: Eine der erfolgreichsten Franchises aller Zeiten. Weit über 80 Millionen Exemplare wurden bisher von der spielbaren Weltverschwörungsphantasie verkauft.
Zudem konnte hier auf einer umfangreichen Story aufgebaut werden: Zwei Geheimgesellschaften (die Assassinen und die Templer) bekämpfen sich über Jahrhunderte bis in die Zukunft. Mysteriöse Wesen aus vormenschlicher Zeit spielen eine Rolle, berühmte Personen aus der Weltgeschichte haben ihren Auftritt. Wilde Zeitsprünge, aufwändige Settings, Action am Laufmeter – die Kassen werden klingeln.
Die Maschinerie läuft erst an
Blickt man noch weiter in die Zukunft, wird einem schnell bewusst, dass hier ein gewaltiges Businessmodell im Entstehen begriffen ist. Avi Arad, der ehemalige Kopf der Marvel Studios, werkelt seit geraumer Zeit an einer Verfilmung von Sonys Adventure-Erfolgsgeschichte «Uncharted».
Die Abenteuer des Meisterdiebs Nathan Drake ziehen seit bald zehn Jahren Millionen Spieler in ihren Bann. Geboten werden actiongeladene Abenteuer rund um den ganzen Planeten, inklusive dramatischer Liebesgeschichte. Dass dies auf der grossen Leinwand bestens funktionieren wird, steht ausser Frage. Indiana Jones steht vor der Pensionierung, der digitale Nachfolger steht bereit.
Weitere virtuelle Helden, die bereits hinter der Bühne auf ihren grossen Auftritt warten sind Sam Fisher aus Tom Clancy’s «Splinter Cell» (mit dem Star der Stunde Tom Hardy in der Hauptrolle), die irren Weltraum-Rowdies von «Borderlands» und das ungleiche Duo Ellie und Joel aus dem postapokalyptischen Meisterwerk «The Last of Us». Die Liste wächst täglich, auch Lara Croft soll bald einen neuen Leinwandauftritt haben.
Es ist also kaum mehr die Frage «ob», sondern höchstens «wann» die Spielwelt mit der grossen Leinwand verschmilzt. Thor, Iron Man und Spider-Man müssen sich warm anziehen – Winter is Coming …