Von ergebnislosen Kurswechseln und Gegenentwürfen

Die ZSC Lions stehen ein Jahr nach dem 0:4 gegen Bern an einem nächsten Tiefpunkt. Das Viertelfinal-Out gegen Lugano wirft grundlegende Fragen auf.

Sportchef Edgar Salis muss das ZSC-Scheitern erklären (Bild: sda)

Die ZSC Lions stehen ein Jahr nach dem 0:4 gegen Bern an einem nächsten Tiefpunkt. Das Viertelfinal-Out gegen Lugano wirft grundlegende Fragen auf.

Er brauche ein paar Tage, um das Out zu begreifen, erklärte Pius Suter wenige Minuten nach dem vorzeitigen Ende der Viertelfinal-Serie im TV-Interview. Der 20-Jährige rang nach Erklärungen, im Hintergrund jubelte die Tifoseria ihren Helden zu – einem ganz besonders: Julien Vauclair, dem Rauschebart-Gesicht des Umschwungs zu Gunsten der Südschweizer. In Zürich hatte er den HCL am Dienstag mit einer Doublette solo zum Erfolg geführt, auf dem Weg zum entscheidenden 2:1-Heimsieg markierte der 37-jährige Verteidiger das kursweisende 2:0.

Vauclair ist quasi der personifizierte Gegenentwurf zum ZSC-Ensemble, zu den vielen Künstlern, die lieber Kreisel drehen als in den Slot vorpreschen. Der furchtlose Jurassier stiess Robert Nilsson im Startspiel aus der Saison und kehrte nach drei Sperren grandios in den Rink zurück. In der «Crunch Time» verdreifachte Vauclair seinen Treffer-Output. Die Zürcher Tenöre verschwanden im Gegenverkehr, der Lugano-Dino hingegen erhöhte die Schlagzahl im vorerst besten Moment der Saison.

Die Lions haben einiges zu verarbeiten. Das Scheitern wirft Fragen auf, die sich auch Edgar Salis stellen lassen muss. Er machte sich für das schwedische Trainer-Gespann Hans Wallson und Lars Johansson stark. Nach dem 0:4-Debakel gegen den SCB unter dem NHL-Exponenten Marc Crawford hatte der Sportchef eine radikale Kursänderung veranlasst; zu seinen Ungunsten war sie (vorerst) nicht zielführend.

Von der angestrebten höheren Intensität war zu oft zu wenig spürbar, die nordländische Philosophie erweiterte den ZSC-Horizont nur im (Qualifikations-)Vorprogramm um ein paar nette Nuancen. Die erhofften Reizpunkte blieben aus. Der Effekt der Frischluftzufuhr hielt sich in Grenzen – einer wie Inti Pestoni widerlegte den Eindruck bislang nicht, nur ein Leventiner Dorfkönig zu sein, der NHL-Rückkehrer Ronalds Kenins blieb blass und energielos, Patrick Thoresen war in einer kursweisenden Phase gesperrt, Mattias Sjögren fehlte (zu) lange verletzt.

Dem «Chlapf an den Grind» (Salis) in Bern folgte im Süden eine nächste Ohrfeige. Anders ist das Ausscheiden gegen die Nummer 7 der Qualifikation, die lange um einen Playoff-Platz zu kämpfen hatte und in ihren herbstlichen Chaostagen sogar zur Notmassnahme eines Trainerwechsels gegriffen hatte.

Von den letzten 15 Playoff-Partien haben die Stadtzürcher sage und schreibe zwölf verloren. Für die neben dem SC Bern grösste und wirtschaftlich stärkste Hockey-Organisation des Landes ist die Bilanz der letzten zwei Jahre desolat. Nur mit verletzungsbedingten Ausfällen und umstrittenen Sperren ist diese marginale Produktivität nicht mehr zu erklären.

Sie müssten sich «gewisse Fragen» stellen, gab Salis in einer ersten Analyse zu: «Zweimal in den Viertelfinals auszuscheiden, entspricht nicht unseren Ansprüchen.» Im Prozess zur Aufarbeitung der schweren Niederlage muss die Lions-Leitung auch ihre Rolle bis ins letzte Detail prüfen.

Richtig laut wurden die Zürcher Vertreter einzig nach dem Tessiner Powerplay auf Verbandsebene. Auf den von Lugano provozierten Rückzug von Einzelrichter Victor Stancescu reagierte der ZSC-CEO Peter Zahner im Playoff-Modus und bemerkenswert energisch: «Es sieht aus, als ob die Tessiner mit ihrem Vorstoss die Rechtspflege lahmlegen wollen.»

Lahmgelegt haben sie nicht nur einen Teil der Justiz, sondern primär den Favoriten – mit legalen Mitteln notabene. Sie orchestrierten den Sturz Zürichs perfekt. Deshalb stimmten die Anhänger im Sottoceneri ihre beliebtesten Strophe an: „Non mollare mai! Nie aufgeben.

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