Das britische Elektropop-Duo Simian Mobile Disco tritt am Freitag im «Hinterhof» auf. Es gehört zu den Mitbegründern des New Rave. Als Warmup für ihren Live-Act präsentieren wir denkwürdige New-Rave-Tracks, von Justice über LCD Soundsystem bis MGMT.
Der Club Hinterhof darf weitere fünf Jahre bleiben, und als hätte einer mit dem dritten Auge das Booking gemacht, kommen am Freitag, 15. Januar, diese Feierkönige vorbei: Simian Mobile Disco. Das britische Elektropop-Duo hat in den Nullerjahren mit einer Reihe von Remixes auf sich aufmerksam gemacht, bevor es seinen ersten Hit landete. Es hat damit gleich ein neues Subgenre der elektronischen Tanzmusik mitkreiert, in dem ein Elektro pumpte, der auch den Indierockern gefiel: New Rave. Zehn Jahre ist das schon wieder her. Schauen wir zurück.
1. Simian Mobile Disco: «Hustler»
Es brauchte den Umweg über Remixes für grössere Namen wie Muse als Aufwärmübung, bevor Simian Mobile Disco ihre eigenen Hits lancierten. Das Duo aus London startete als Rockquartett, von dem am Schluss zwei Musiker übrig blieben. Was James Ford und James Shaw dann als Duo ablieferten, war Pastiche Pop vom Feinsten, der die Eighties feiernd übersetzt, ohne sich über sie lustig zu machen. Beats, die knallen und federn, dazu Hooks, auf die man sich auch als Indie-Kid freuen durfte. Nicht nur in «Hustler», sondern zum Beispiel auch in «Hot Dog».
2. Justice: «D.A.N.C.E.»
Den Genrebegriff «New Rave» hat zwar das britische Musikheft «New Musical Express» durch die Medien und Tanzhallen gejagt, das Epizentrum lag jedoch in Paris: Dort sind die Labels Ed Banger und Kitsuné zuhause – und von dort aus lieferte das Duo Justice mit «D.A.N.C.E.» die fröhliche Hymne des New Rave. Dass Justice mehr im Sinn hatten als ausgelassene Tanzfreude, zeigte ihr kontroverser, von Romain Gavras gefilmter Clip zu ihrem Track «Stress» – eine sieben Minuten lange randalierende Gewaltorgie von Pariser Vorstadtjugendlichen, mit dem Logo von Justice auf ihren Kapuzenjacken: ein Kreuz. Konfus.
3. Digitalism: «Pogo»
Bei Kitsuné hatten auch die Hamburger Digitalism 2004 ihr Debut mit diesem sinnigen und noch immer sehr frischen Titel veröffentlicht, bevor die Erfolgskurve nach oben schnellte und das Duo zur Major-Konkurrenz wechselte. Seither sind Jens Moelle und İsmail Tüfekçi regelmässig in den Technotempeln weltweit unterwegs (erst letzten Monat ebenfalls im Hinterhof Basel) und durften sich in der renommierten Reihe «DJ Kicks» veredeln lassen. Der Elektro von Digitalism ist eher im House denn im Rave zuhause, aber: Wer The Cure derart dreist verarbeitet, ist auch im Alternative Rock willkommen.
4. The Klaxons: «Golden Skans»
Zurück auf die Insel: An The Klaxons liess sich ablesen, wie schnell eine Band, taucht sie zur richtigen Zeit mit dem gefragten Sound auf, hochgejubelt und verheizt werden kann. Das Debut «Myths Of The Near Future» liess die britischen Trendpäpste beim «New Musical Express» schier durchdrehen und die Subgenre-Kategorie «acid-rave sci-fi punk-funk» ersinnen. Und die Klaxons-Fans holten die Party-Utensilien ihrer Eltern für die neuen Rave-Nächte hervor: Leuchtstäbe, Schnuller, synthetische Drogen. Was als Insiderwitz begonnen habe, sei plötzlich zu einer Form jugendlicher Subkultur geworden, bemerkte Sänger Jamie Reynolds einmal. Als hätte er geahnt, wie schnell solche jung erstrahlende Sterne wieder erlöschen. Das letzte Album von The Klaxons erschien eher unbemerkt 2014, seither liegt die Band auf Eis.
5. LCD Soundsystem: «Daft Punk Is Playing At My House»
Gehört das LCD Soundsystem von James Murphy hier rein? Oder doch eher zum Electropunk? Es ist kompliziert. Murphy hatte mit seinem New Yorker Label DFA Records so etwas wie das transatlantische Gegenstück zu den Pariser Labels ins Leben gerufen. Sowohl sein Projekt LCD Soundsystem wie auch seine Kuratierung für DFA Records erwiesen sich jedoch schnell als zu ausgefeilt und zu vielschichtig, um vollends einer der gerade reissenden Strömungen einverleibt zu werden. DFA Records hat sich, insbesondere dank exquisiten Remixes, schnell als kenntnisreiche Heimstätte für experimentelle Sounds an der Schneise von Punkrock, Wave und Elektro erwiesen, so dass Murphy für die eigene Musik keine Zeit mehr blieb. LCD Soundsystem wurde 2011 mit einem würdevollen Abschiedskonzert im Madison Square Garden begraben – und als Weihnachtsbescherung vor wenigen Wochen wiederbelebt. Eine Tournee soll 2016 folgen.
6. Cansei de Ser Sexy: «Alala»
Die brasilianische Variante: Cansei de Ser Sexy (CSS) aus São Paulo. Speedpop, Art-Punk, Hardcore-Eurotrash – man darf sich aussuchen, was am Besten passt. Gruppiert um Sängerin Lovefoxx, gibt’s bei CSS Quietschsynthies, Scheppergitarren und Kratzbeats. CSS wurden entdeckt, weil zu jener Zeit soziale Netzwerke wie MySpace als Musikkanäle noch Zulauf hatten. Und sie bleiben mit ihren ganz und gar aufrichtigen Songtiteln in Erinnerung: «Alcohol», «Art Bitch» oder, bottom line: «Music Is My Hot Hot Sex».
7. MGMT: «Kids»
Zum Schluss eine Lehrstunde zum Thema Sprengen von Genrefesseln: MGMT gerieten mit ihrem Debut «Oracular Spectacular» – dem Zeitgeist und den kindlich-naiven Elektropophymnen sei’s geschuldet – ebenfalls auf die Karre des New Rave. Ihr charmevoller Flirt mit Psychedelia tat sein Übriges. Weil MGMT jedoch nicht nur die Clubs im Blick hatten, sondern auch die Pophistorie, pflügten sie sich auf den Folgealben kurvenreich durch ambitionierten Art-Pop. Eher Chill Out denn Dancefloor. Die Beats haben sie abgegeben, doch rauschhaft ist dieser Sound noch immer.
_
Simian Mobile Disco: Hinterhof Basel, Freitag, 15. Januar, 23 Uhr.