«Vonarstræti» – eine weitere isländische Filmperle

Der isländische Film wird wieder beachtet: Nach «Of Horses and Men» kündigt sich am Zürich Film Festival mit «Vonarstræti» die nächste Perle an. Grund genug, nach Island zu fahren. Eben haben wir uns am Zürich Film Festival noch eingestimmt: mit dem isländischen Film «Vonarstræti». Nach «Of Horses and Men», der in Basel noch läuft, ein […]

Der isländische Film wird wieder beachtet: Nach «Of Horses and Men» kündigt sich am Zürich Film Festival mit «Vonarstræti» die nächste Perle an. Grund genug, nach Island zu fahren.

Eben haben wir uns am Zürich Film Festival noch eingestimmt: mit dem isländischen Film «Vonarstræti». Nach «Of Horses and Men», der in Basel noch läuft, ein weiterer Grund, dem Ruf nach Island zu folgen.

Dort findet in diesen Tagen das Isländische Filmfestival statt. Von dort wird die TagesWoche berichten – doch erst einmal an «Vonarstræti» («Die Strasse der Hoffnung»).

Wie sieht Wachstum in der Krise aus?

Die alleinerziehende Eik kommt mit dem Budget nicht klar. Sie verkauft sich nachts. Tagsüber erhöht sie den Überzugskredit.

Der Trinker Mori hat eben ein Manuskript abgeliefert, das seinen Verleger begeistert, ihm selbst aber auch nicht über seine Trauer hinweghilft: Vor einer Generation hat er seine Tochter im Suff verloren.

Der Ex-Fussballer Sölvi hat bei der Bank das grosse Los gezogen. Er darf sich um ein Grossprojekt der Bank kümmern, die die Grenzen der Legalität nur ernst nimmt, wenn das Geschäft nicht darunter leidet.

Drei Erzählstränge, deren Fäden Regisseur Baldvin Zophoniasson mit leichter Hand verbindet. Doch vor welchem Hintergrund spielt die Geschichte?

Islands Banken hatten vor Jahren in den Bilanzen das mehrfache Bruttosozialprodukt des kleinen Landes mit rund 300’000 Einwohnern. Das erinnerte schon im Jahr 2007 an die Schweiz. Wenn die Banker sich verzocken, muss der Staat einspringen. 2008 war es in Island so weit: Island war bankrott.

Drei Geschichten – ein Thema

Die Banker des kleinen Inselstaates hatten sich 2008 verwettet. Das isländische Volk entschied an der Urne, die Schulden der Banken nicht zu tilgen. Das erinnert nicht an die Schweiz.

Island ist eine Insel. Dennoch enthält es die ganze Welt: Das hat sich der Regisseur Baldvin Zophoniasson zu Herzen genommen. Sowohl Florida wie auch Sardinien sehen in seinem Film ganz ähnlich wie das Strandcafé in Reykjavik aus.

Baldvin Zophoniasson holt seinen «production value» bei den Schauspielern, er blufft nicht mit hippen Drehorten. Er erzählt ganz gelassen ein Drama, ein Märchen oder einfach die Liebesgeschichte von «La Belle et la Bête» neu.




Zwar taucht kein Märchenprinz auf, dafür das Ungeheuer gleich zweimal. Das wahre Monstrum sieht Sölvi im Grossvater mütterlicherseits: Ihm will sie ihr Kind nicht anvertrauen.

Dem Trinker hingegen, der um den Kindergarten schleicht und Sölvis Tochter nachstellt, vertraut sie. Als sie zu einem langen Wochenende mit Sölvi nach Florida fliegt, überlässt sie ihm ihr Kind.

Baldvin Zophoniasson, der auch am Drehbuch mitgearbeitet hat, lässt drei Geschichten ganz langsam ineinandergreifen, ohne sein Thema aus den Augen zu verlieren.

Wann wird eine kleine Lüge zu einer grossen? Meisterhaft schafft er es, seine Erzählstränge in Spannung zu halten, indem er scheinbar Nebensächliches erzählt, dies aber mit treffenden Dialogen und absolut stilsicher im Milieu.

Düster und leicht – wie bei Cocteau

Mit sicherem Blick gaukelt er uns in Island Florida vor, und selbst seine Milieuschilderung der Banker (etwas gar handgestrickt) weitet er nicht über seinen Horizont aus: Er erzählt das Nötigste, um kriminelle Machenschaften zu entlarven.

Baldvin Zophoniasson hat die Dialoge mitverfasst, und auch da ist er seinem Meister Jean Cocteau gefolgt: In aller Härte vertraut er auf die Poesie.

Was Zophoniasson Þorsteinn Bachmann spielen lässt, ist von grosser Klasse. Auch er erinnert an Cocteaus verdeckte Schilderung des Monsters: Fast ohne Text, mit vielen Nahaufnahmen und einer umwerfenden Körperlichkeit kann Þorsteinn Bachmann jeder schlimmen Ahnung Raum verschaffen.

Die ganze Tiefe des Geheimnisse bewahrt er uns für den Schluss auf. Im Kerzenlicht erfahren wir, wie ein Aufschwung zu verstehen ist, der im Wirtschaftsteil verkündet wird.

Das Déjà-Vu vom Anfang beschleicht uns erst wieder, wenn die Lebenswelt der isländischen Banker geschildert wird. Bis dahin hält «Vonarstræti» bis zum Schluss die Spannung. Das entschädigt uns für die langsame Anfangsgeschwindigkeit des Films – und erhöht die Spannung auf das Land.

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