Roger Federer gegen Rafael Nadal – der Final des Australian Open heute Sonntag (9.30 Uhr Schweizer Zeit) lässt nicht nur die Herzen der Nostalgiker höher schlagen.
Die grössten Worte wählte Andy Roddick. Der vor fünf Jahren zurückgetretene Amerikaner meinte: «Das muss das wichtigste Match in der Geschichte des Australian Open sein, vielleicht gar der gesamten Grand-Slam-Geschichte.» Im Moment hat Federer 17 Grand-Slam-Pokale in seinem Trophäenschrank, Nadal 14. «Wenn Rafa gewinnt, steht es noch 15:17, und es folgt das French Open», betonte Roddick. «Dann ist das Rennen um die meisten Grand-Slam-Titel lanciert.» Wenn hingegen Federer sich durchsetzt, steht es 18:14. «Ich glaube nicht, dass das noch aufzuholen wäre.»
Die beiden Hauptdarsteller brauchen die Erinnerung an die Bedeutung der Partie nicht. Nach einem von Verletzungssorgen geprägten Jahr sind sie aber erstmal zufrieden, wieder einmal im Final zu stehen. «Es ist ein Privileg, gegen Federer zu spielen», sagte Nadal nach seinem Sieg im Halbfinal. «Ich freue mich riesig, dass ich im Final sein darf, umso mehr, dass es gegen Rafa ist», meinte der 35-jährige Basler. «Wenn ich gewinnen würde, wäre es extra speziell.»
Speziell wäre es nur schon deshalb, weil Federer gegen Nadal nicht sehr oft gewinnt. Acht Finals auf höchster Ebene haben sie bereits gegeneinander gespielt (mehr als sonst zwei Spieler), nur zwei hat der Schweizer gewonnen, beide vor neun und mehr Jahren in Wimbledon. Dennoch betont Federer, dass er zwar «wirklich grossen Respekt» vor Nadal habe, jedoch «sicher keinen Komplex». Dafür habe er zu oft gegen den Spanier gewonnen, auch in wichtigen Spielen. «Es wird mich nicht daran hindern, gut zu spielen.»
Seit er wisse, wer der Gegner im Final sei, sei die Anspannung höher geworden. «Du hast Schmetterlinge im Bauch, im guten Sinn», erklärte er. «Gestern (am Freitag) war ich entspannt, heute etwas zweierlei, morgen ist dann alles auf den Final ausgerichtet.»
«Der Match des Turniers»
Die Art, wie Linkshänder Nadal spielt, liegt Federer zwar definitiv nicht. Auf schnellen Belägen wie in Wimbledon, an den ATP-Finals in London oder an den Swiss Indoors in Basel, wo der vierfache Australian-Open-Champion den Spanier beim bisher letzten Duell bezwang, war er aber durchaus erfolgreich. Und in Melbourne sind die Bedingungen in diesem Jahr sehr schnell.
Federer sah sich am Freitagabend den Halbfinal Nadals gegen Grigor Dimitrov sehr genau an, für einmal nicht in erster Linie als Tennisfan, sondern auch «zur Analyse», wie er am Samstag verriet. Er dürfte mit Freude festgestellt haben, dass der Bulgare, dessen Spiel mit der einhändigen Rückhand dem Federers nicht ganz unähnlich ist, den Spanier bis zum Ende des fast fünfstündigen Thrillers fordern konnte.
«Ich finde, Grigor hat sehr gut gespielt, vor allem mit der Rückhand», analysierte Federer. «Vielleicht war es auch eine Folge des Belags, der weniger Kick und Spin annimmt, als in der Vergangenheit.» Nadal habe am Anfang sehr aggressiv gespielt. «dann fiel er in sein klassisches Spiel zurück, das er jahrelang spielen kann. Es war auf jeden Fall sehr interessant, mit vielen entscheidenden Punkten, die den Match hätten drehen können, am Ende, aber auch schon am Anfang.» Deshalb war der Halbfinal zwischen Nadal und Dimitrov für Federer «der Match des Turniers». Bis jetzt zumindest.
Körperlich bereit
Der Marathon erhöht Federers Vorteil des einen Tages mehr Pause noch. Er wird sich allerdings hüten, diesen zu überschätzen. 2009 spielte Nadal gegen Fernando Verdasco im Halbfinal sogar über fünf Stunden, hatte ebenfalls einen Tag weniger Pause und rang Federer dann im Final dennoch in fünf Sätzen nieder. «Ich bin jetzt acht Jahre älter», meinte der Mallorquiner dazu.
Anderseits klagte Federer in seinem Spiel gegen Stan Wawrinka über Schmerzen in den Adduktoren. Er sei körperlich zufrieden, meinte er aber am Tag vor dem Final. Das Bein sei noch etwas verhärtet, aber zwei Tage ohne Match mache «Welten» aus. Er mache sich für den Sonntag keine Sorgen. Immerhin hat er mit 13:40 Stunden in den letzten zwei Wochen mehr als fünf Stunden weniger auf dem Platz verbracht als Nadal.
Obwohl es um so viel geht, wie Roddick herausstrich, können beide Spieler den Final eigentlich gelassen angehen. Sie sind nach ihren Verletzungspausen nur noch die Nummern 9 (Nadal) und 17 (Federer) der Welt und haben in Down Under bereits mehr erreicht, als sie sich erhoffen durften. Mit einem Sieg würde der Basler aber in die Top Ten zurückkehren. Ausserdem ist es der erste Grand-Slam-Final zwischen zwei Ü30-Spielern seit dem US Open 2002. Damals schlug die Nummer 17 Pete Sampras überraschend Andre Agassi. Vielleicht ein gutes Omen für Roger Federer.