Vorlesungen der wilden Art

Wenn man versucht, Mangas vorzulesen, ist ein Chaos vorprogrammiert. Fabian Degen macht genau dies seit drei Jahren im Sääli des Goldenen Fass‘. Dies erfordert nicht nur grosses Erzählertalent, sondern auch schauspielerisches Können.

Bringt Mangas unter die Leute: Popkulturist Fabian Degen. (Bild: Alain Appel)

Wenn man versucht, Mangas vorzulesen, ist ein Chaos vorprogrammiert. Fabian Degen macht genau dies seit drei Jahren im Sääli des Goldenen Fass‘. Dies erfordert nicht nur grosses Erzählertalent, sondern auch schauspielerisches Können.

Fabian Degens Konzept, Mangas vorzulesen, hört sich chaotisch an. «Ist es auch», sagt der 38-jährige. «Unsere Lesungen sind enorm spontan. Fehler gehören mit zum Konzept. Es hat viel mit Punkrock zu tun.» Genau das finden der Tausendsassa und sein Publikum spannend. Wenn zum Beispiel zwei Leser einen Kampf ihrer Figuren nacherzählen und der eine drei Seiten zu weit vorne ist, braucht es viel Improvisation.

Von Hinten nach Vorne gelesen

Mangas fallen durch die japanische Optik in ihren Bildern auf. Witzig und liebevoll mit Tusche gezeichnet waren sie Anfang der Neunziger eine aufregende Neuheit auf dem Büchermarkt. «Plötzlich konnte man Bücher von hinten nach vorne lesen, das war schon reizvoll», sagt Degen. Den grossen Erfolg verdanken Mangas aber dem dramatischen Aufbau, der sich von westlichen Comics unterscheidet. «Weniger die Geschichte selber, sondern mehr der psychologische Werdegang einer Figur spannt den dramatischen Bogen», sagt Degen.

Die Idee, eine Mangalesung zu machen, hatte Degen auf einer Buchmesse. «Radio X machte ein Interview mit mir.» Der Interviewer meinte, es sei schade, dass er keine Leseprobe eines Mangas fürs Radiopublikum zum Besten geben könne. «Da habe ich kurzerhand das nächste Buch gegriffen und drei Seiten vorgelesen.» Die Sendung wurde ein Hit, Degen erhielt die Möglichkeit im Restaurant «Goldenen Fass» Mangas vor Publikum vorzulesen.

«Wir hatten keine Ahnung, ob sich überhaupt jemand an unsere erste Lesung verirren würde», erinnert sich der 38-Jährige. «Doch mit einem Aufwand von maximal drei Stunden – zwei zum Einlesen und eine zum Vortragen – hielt sich die Investition in Grenzen», schmunzelt er. Vorgelesen wird die bekannteste Mangareihe – Dragonball. «Die Geschichte ist ergiebig.» In den ersten paar Bänden sucht die Hauptfigur Son Goku noch seinen Weg in der Welt, man kann seinen Werdegang fortlaufend nacherzählen.

Drei Jahre auf Son Gokus Fersen

«Wir haben bei Kapitel 1 angefangen, jetzt sind wir nach drei Jahren bei Kapitel 256, beim elften Buch», sagt Fabian Degen.
Damit man sich aber auch noch einklinken kann, wenn man die ersten Lesungen verpasst hat, ist jede einzelne Lesung in sich abgeschlossen eine eigene Geschichte.

«Um Mangas vorzulesen, ersetzt man die bildliche Ebene mit einer Schauspielerischen.»

Fabian Degen, Popkulturalist 

Gute Mangavorleser sind entweder, wie Fabian Degen, komplette Mangafreaks, gute Schauspieler oder beides. Denn einen Manga vorzulesen ist eine Kunst für sich. «Man nimmt eine Kunstform, die aus zwei Ebenen besteht: dem Text und dem Bild. Die eine Ebene lässt man einfach komplett weg und hat nur noch den Text. Dann bringt man mit dem Schauspielern eine neue Ebene in den Text hinein, das braucht schauspielerisches Können», sagt Degen.

Und auch über dieses verfügt Degen. Als Statist auf der grossen Bühne des Theater Basel konnte er dazu schon einige Erfahrung sammeln. Dass er einmal die Bühne mit eigenem Programm bespielen würde, hätte er lange nicht gedacht. Mit seinem Programm will Degen einen bunten Klecks im Basler Kulturkanon bilden – oder eben den schwarz-weissen der Mangatusche.

«Wir werden in Zukunft vermehrt an Festivals auftreten», sagt Degen. Doch das ist Zukunftsmusik. Vorerst freut sich Degen auf die nächste Mangalesung im Sääli. Diese findet am achten April statt, die Übernächste am achten Mai im Frank in der Theaterpassage. Mangafans und solche, die es werden wollen, können gespannt sein.

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