Parteien von links bis rechts bezweifeln, dass sich mit den vom Bundesrat vorgeschlagenen Massnahmen Konflikte zwischen Initiativen und dem Völkerrecht wirksam entschärfen lassen. Die SVP erwägt nun eine Initiative, die Landesrecht Vorrang vor Völkerrecht geben soll.
Nach dem Willen des Bundesrats sollen Volksinitiativen schon vor der Unterschriftensammlung durch die Bundesverwaltung inhaltlich auf ihre Vereinbarkeit mit dem internationalen Völkerrecht geprüft werden. Das Resultat würde auf den Unterschriftenbögen vermerkt.
Zudem sollen Volksbegehren nur noch dann zugelassen werden, wenn sie nicht gegen den Kerngehalt von verfassungsmässig garantierten Grundrechten verstossen. Das käme einer Verschärfung gleich: Heute kann das Parlament nur Initiativen für ungültig erklären, die gegen zwingendes Völkerrecht verstossen – zum Beispiel gegen das Folterverbot.
Mit seinen Vorschlägen will der Bundesrat Initiativrecht und Völkerrecht besser in Einklang bringen, weil es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Konflikten kam – etwa bei der Minarett-, der Verwahrungs- oder bei der Ausschaffungsinitiative.
Kaum ein Wort der Zustimmung
In der Vernehmlassung, die Ende Juni zu Ende ging, spricht einzig die BDP von «zielführenden Massnahmen». Initiativkomitees und Stimmvolk erhielten so mehr Transparenz. Die BDP möchte gar noch weiter gehen und dem Parlament bei der Ungültigkeitserklärung von Initiativen mehr Macht zuschanzen.
Andere Parteien, welche die Stossrichtung des Bundesrats eigentlich ebenfalls befürworten, sind jedoch wenig begeistert. CVP und SP begrüssen die inhaltliche Vorprüfung. So komme der Stimmbürger «in den Genuss» entscheidender Informationen, schreiben die Sozialdemokraten.
Die CVP findet es aber «fraglich», ob so das Verhältnis von Landesrecht und Völkerrecht geklärt werden könne. Die Kerngehaltsprüfung geht auch der CVP zu weit. Der Kerngehalt von Grundrechten sei nicht klar zu definieren. Auch die SP äussert Vorbehalte: Verschiedene problematische Initiativen der letzten Zeit hätten mit der Grundrechtsklausel nicht verhindert werden können.
Direkte Demokratie «unter Druck»
SVP, FDP und Grüne hingegen lehnen beide Vorschläge der Landesregierung rundweg ab. Aus Sicht der FDP verfehlen beide Bundesratsideen ihr Ziel: Die inhaltliche Vorprüfung von Initiativen gebe der Verwaltung zu grosse Macht und bevormunde die Stimmberechtigten. Und die Kerngehaltsklausel könnte die politischen Rechte zu stark einschränken, fürchtet sie.
Noch härter ins Gericht mit dem Bundesrat gehen die Grünen. Die Vorschläge seien «unausgegoren» und lösten die Probleme nicht. Wenn schon eine Vorprüfung von Initiativen stattfinde, müsse diese verbindlich sein, schreiben sie. Ein Warnhinweis auf den Unterschriftenbögen genüge nicht. Initianten heikler Anliegen könnten eine ablehnende Vorprüfung gar zur Mobilisierung nutzen.
Totalopposition der SVP
Die SVP und die ihr nahe stehende Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS) widersetzen sich den bundesrätlichen Vorschlägen, «denn diese führen unweigerlich zu einem weiteren Abbau der Volksrechte», hält die SVP fest. Bei der Vereinbarkeit von Völkerrecht und Landesrecht seien Massnahmen zwar unbestritten notwendig. Aber der SVP schwebt eine «klare Rangordnung» vor: Landesrecht soll Vorrang vor nicht zwingendem Völkerrecht haben.
«Das Schweizer Volk muss dazu Stellung nehmen können», sagte SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz in einem Interview mit dem «SonntagsBlick». In der «SonntagsZeitung» schlägt SVP-Chef Toni Brunner eine Verfassungsbestimmung vor, «die festlegt, dass sowohl unsere Verfassung wie auch Schweizer Gesetze in jedem Fall über den Bestimmungen des Völkerrechts stehen». Laut Brunner ist die Lancierung einer solchen Initiative schon «nächsten Monat» geplant.