Vulkanausbrüche haben in den letzten 2500 Jahren immer wieder Kälteperioden ausgelöst – und damit Pandemien, Hungersnöte und gesellschaftliche Umbrüche.
Ein internationales Forscherteam mit Schweizer Beteiligung konnte dank Baumringdaten präzise belegen, welchen Einfluss Vulkantätigkeit auf Umwelt und Gesellschaft hat. Es sei bekannt, dass Vulkanausbrüche Kälteperioden auslösen oder dazu beitragen, teilte die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) am Mittwoch mit. Schwefelpartikel, die Vulkaneruptionen in die obere Atmosphäre schleudern, schirmen die Sonneneinstrahlung ab.
Doch bisher habe es keine verlässliche Methode gegeben, die Vulkanausbrüche zeitlich präzise einzuordnen und damit ihre Auswirkung auf das Klima zu messen. Nun haben Forscher der WSL, des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung der Uni Bern (OCCR) und zahlreicher anderer Institutionen den Zeitpunkt von fast 300 Vulkanausbrüchen seit der frühen Römerzeit rekonstruiert.
Wachstumsringe der Bäume
Die Schwefelpartikel der Vulkanasche lagerten sich im Eis in Grönland und der Antarktis ab. Mit Eisbohrkernen lässt sich der Schwefelgehalt von Jahr zu Jahr bestimmen. Die genaue Datierung gelang den Forschern nun aber erstmals dank Daten aus den Wachstumsringen von Bäumen, die jedem einzelnen Jahr exakt zugeordnet werden können.
Die im Fachjournal «Nature» veröffentlichten Resultate belegen, dass Vulkanausbrüche in den Tropen und hohen Breiten wie Island und Nordamerika schwere und weit verbreitete Kältesommer auf der Nordhalbkugel verursachten. Diese waren proportional zum Ausmass der Eruptionen; nach den heftigsten Ausbrüchen hielten die Auswirkungen bis zu 10 Jahre an.
«Rätselhafte Wolke»
Beispiele sind die Jahre 536, 626 und 939 unserer Zeitrechnung. Die Partikel verdunkelten die Atmosphäre über Europa so stark, dass zahlreiche Augenzeugen dies bemerkten und es in voneinander unabhängigen Archiven aufgezeichnet wurde. So wurde ab März 536 im Mittelmeerraum 18 Monate lang eine «rätselhafte Wolke» beobachtet.
Sie war Folge einer grossen Eruption in den oberen Breiten der nördlichen Hemisphäre. Hinzu kam nur vier Jahre später ein zweiter Vulkanausbruch in den Tropen. In der Zeit danach wurden auf der gesamten nördlichen Halbkugel aussergewöhnlich kalte Sommer beobachtet.
Ausbruch der Pest
Der Temperaturschock hielt mehrere Jahre an und verursachte Ernteausfälle und Hungersnöte. Dies trug wahrscheinlich zum Ausbruch der Justinianischen Pest bei, die sich von 541 bis 543 nach Christus über das ganze Byzantinische Reich ausbreitete und letztendlich die menschliche Bevölkerung in Eurasien dezimierte.
Die Forscher um Michael Sigl vom Desert Research Institute (DRI) in den USA, der heute am Paul Scherrer Institut in Villigen (AG) arbeitet, stellten zudem fest, dass die Eisbohrkern-Datierung um sieben Jahre korrigiert werden müsste. An der Arbeit waren neben Geo-, Klima-, Weltraum- und Solarwissenschaftlern auch Historiker beteiligt.
Sie wollen in Zukunft sogar noch weiter in die Vergangenheit blicken: «Mit neuen hochauflösenden Aufzeichnungen von Eiskernen aus Grönland und der Antarktis wird es wahrscheinlich möglich sein, globale Vulkanaktivitäten und ihre Klimaauswirkungen bis zurück in die letzte Eiszeit zu rekonstruieren», sagte Sigl.