Waadtländer Justiz tritt nicht auf Strafanzeige gegen Nestlé ein

Die Waadtländer Justiz tritt nicht auf eine Strafanzeige gegen Nestlé im Zusammenhang mit der Ermordung eines kolumbianischen Gewerkschafters ein. Sie hält den Fall für verjährt. Die Kläger überlegen sich, Rekurs gegen den Entscheid einzureichen.

Nestlé-Logo am Hauptsitz in Vevey (Archiv) (Bild: sda)

Die Waadtländer Justiz tritt nicht auf eine Strafanzeige gegen Nestlé im Zusammenhang mit der Ermordung eines kolumbianischen Gewerkschafters ein. Sie hält den Fall für verjährt. Die Kläger überlegen sich, Rekurs gegen den Entscheid einzureichen.

«Es liegt eine Verjährung vor, der Mord liegt mehr als sieben Jahre zurück», sagte Staatsanwalt Franz Moos am Donnerstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Man habe sich deshalb nicht mit den in der Anzeige geäusserten Vorwürfen befasst.

Der Entscheid wurde am 1. Mai getroffen, wie es in einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft hiess. Die Kläger haben zehn Tage Zeit, beim Kantonsgericht einen Rekurs gegen den Entscheid einzureichen.

Die Strafanzeige ist aussergewöhnlich. Sie richtet sich direkt gegen fünf Manager, darunter den ehemaligen Konzernchef Peter Brabeck und Rainer E. Gut, den damaligen Präsidenten des Verwaltungsrats. Erst in zweiter Linie richtet sich die Anzeige gegen den Nahrungsmittelgiganten.

Zug übergab Waadt den Fall

Hinter der Anzeige steht die Berliner Anwaltsgruppe «European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR)». Die Anzeige wurde über ein Zürcher Anwaltsbüro im März 2012 im Kanton Zug eingereicht, wo sich der zweite Nestlé-Firmensitz befindet.

Die Zuger Justiz übergab den Fall der Waadtländer Staatsanwaltschaft, die Ende Februar eine Übersetzung der Strafanzeige auf Französisch erhielt. Sie wirft dem Nahrungsmittelkonzern fahrlässige Tötung durch Unterlassung vor.

Gewerkschafter 2005 ermordet

Die Strafanzeige betrifft den Mord an Luciano Romero Molina, einem Gewerkschafter und ehemaligen Angestellten eines Milchverarbeitungsbetriebs einer Nestlé-Tochterfirma in Kolumbien. Romero war 2005 verschleppt und getötet worden.

Die Menschenrechtsorganisation European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) beschuldigt Nestlé, den Tod des Gewerkschafters durch das Unterlassen von Schutzmassnahmen mitverursacht zu haben. Romero erhielt Todesdrohungen. Nestlé weist sämtliche Vorwürfe zurück.

Rekurs noch offen

«Wir nehmen den Entscheid der Waadtländer Staatsanwaltschaft zur Kenntnis», sagte Florian Wick, Vertreter des ECCHR in der Schweiz, am Donnerstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Er habe noch keinen Entscheid erhalten.

Man werde die Begründung der Staatsanwaltschaft prüfen, bevor der Entscheid falle, ob Rekurs eingelegt werde oder nicht. Es handle sich um gravierende Verfehlungen, zu denen es viele offene Fragen gebe. Diese seien in der 100-seitigen Strafanzeige dokumentiert.

Gelange man zur Auffassung, dass es eine Möglichkeit gebe, den Entscheid anzufechten, werde man dies auch tun. Es gehe nicht nur um fahrlässige Tötung durch Unterlassung, sondern auch den Vorwurf der Organisationshaftung – der Haftung des Unternehmens. Diese sei seiner Ansicht nach noch nicht verjährt, hielt Wick fest. Er räumte jedoch ein, dass auch dies umstritten sei.

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