Russland droht wegen der Dopingaffäre der Ausschluss aus dem Internationalen Leichtathletik-Verband (IAAF).
Mit der Forderung nach drakonischen Strafen und schweren Vorwürfen bis in russische Regierungskreise hinein reagierte die WADA auf die Dopingaffäre in Russland. Die Ermittlungskommission der WADA empfahl am Montagnachmittag in Genf, Russland aus der IAAF auszuschliessen und fünf Athleten sowie fünf Trainer lebenslänglich zu sperren. Das Kontrolllabor in Moskau soll geschlossen, dessen Direktor abgelöst werden. Grigori Rodschenkow gab zu, die Beseitigung von 1417 Dopingproben angewiesen zu haben.
Schwere Vorwürfe werden auch gegen den russischen Sportminister Witali Mutko erhoben. Er solle persönlich angeordnet haben, «bestimmte Dopingproben zu manipulieren». Russland wies die Forderung der WADA nach harten Strafen postwendend als politisch motiviert zurück. Zugleich erklärte Sportminister Mutko in Moskau, dass die WADA zwar Empfehlungen aussprechen, aber niemanden selbst von Wettkämpfen ausschliessen könne.
Witali Mutko kann Studienabschlüsse in Schifffahrtstechnik und Jura vorweisen und hat mittlerweile so viele Ämter als Sportfunktionär, dass er womöglich selbst nur schwer den Überblick behält. Er ist russischer Sportminister, Chef des Russischen Fussballverbandes, Chef des russischen Organisationskomitees für die WM 2018, Mitglied in den Exekutivkomitees von UEFA und FIFA – und auch bei der Planung der Olympischen Spiele 2014 in Sotschi war er an vorderster Stelle.
Die Ermittlungskommission der WADA war eingesetzt worden, um die in einer ARD-Dokumentation erhobenen Vorwürfe über Doping im russischen Spitzensport zu untersuchen. In dem Film «Geheimsache Doping – Wie Russland seine Sieger macht» waren am 3. Dezember 2014 geheime Aufzeichnungen in Bild, Ton und Schrift mit Hinweisen auf staatlich unterstütztes Doping präsentiert worden. Im Hintergrund soll offenbar ein Betrugs- und Vertuschungsapparat gewirkt haben. Konkreter: In der Affäre geht es um den Verdacht, dass russische Sportler Geld an diverse Stellen bezahlten, um die Veröffentlichung positiver Dopingproben zu verhindern.
Angesichts der immer grösseren Dimension der Verfehlungen und kriminellen Umtriebe in der Leichtathletik weltweit schaltet sich auch Interpol ein. Die Weltpolizei kündigte an, die internationalen Untersuchungen zu koordinieren. WADA-Ermittler Richard Pound (Ka) war selbst über das Ermittlungsergebnis zum Vorwurf des flächendeckenden Doping in Russland entsetzt: «Es ist schlimmer, als wir dachten.»
IAAF-Präsident Sebastian Coe will mit seinen Vorstandskollegen in der IAAF schnellstmöglich darüber beraten, ob Russland von Wettkämpfen ausgeschlossen werden soll. Die Sanktionsmöglichkeiten reichen laut Coe bis zur vollständigen Suspendierung des russischen Verbandes (ARAF). Die von der WADA-Kommission vorgelegten Erkenntnisse seien «alarmierend», so Coe.
Auch die Ethik-Kommission des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) wurde aktiv. Sie empfiehlt die vorläufige Suspendierung des unter Korruptionsverdacht stehenden ehemaligen IAAF-Chefs Lamine Diack als IOC-Ehrenmitglied. Dem Senegalesen wird Bestechlichkeit und Geldwäsche vorgeworfen. Die französische Justiz hat Anklage gegen den 82-Jährigen erhoben. Diack war von 1999 bis zum August 2015 Präsident der IAAF und hat laut Anklage mitgeholfen, das Vertuschungssystem zu installieren. Er gilt als einer der Drahtzieher.