Der Tod eines Häftlings im Waadtländer Gefängnis Bochuz im 2010 wird seit Montagmorgen vor dem Kreisgericht Nord des Kantons Waadt durchleuchtet. Zum Prozessbeginn wurden die Gefängniswärter zum Brand in der Zelle des Häftlings befragt. Sie bestritten dabei, Fehler begangen zu haben.
Der Verhandlung wohnte auch die Schwester des verstorbenen Häftlings bei. Sie hatte sich einen Prozess zum Tod ihres Bruders bis vor Bundesgericht erkämpft, nachdem weder der Untersuchungsrichter noch das Kantonsgericht ein Verfahren eröffnen wollten.
Das Bundesgericht wies die Staatsanwaltschaft an, Anklage zu erheben. Der Häftling war in der Nacht auf den 11. März 2010 ums Leben gekommen. Er hatte um 00.50 Uhr aus Protest seine Matratze angezündet.
Die Wärter löschten das Feuer, gingen jedoch nicht in die Zelle des als gefährlich eingestuften Häftlings und warteten auf das Sondereinsatzkommando. Als die Zelle schliesslich geöffnet wurde, war es schon zu spät.
Vor Gericht stehen neun Angeklagte, darunter das Gefängnispersonal und die Rettungskräfte. Dem Gefängnispersonal wird fahrlässige Tötung vorgeworfen. Die Wärter standen beim Prozessauftakt vor dem Gericht in Renens VD im Mittelpunkt.
Morddrohungen gegen Wärter
Der Häftling habe gegen mehrere Wärter Morddrohungen ausgesprochen, weil ihm sein Radio und Handschuhe entzogen wurden, sagte einer der Wärter. Er habe den Häftling noch nie in einem solchen Zustand erlebt, obwohl er beinahe täglich mit ihm zu tun gehabt habe.
Der Wärter fragte darauf beim Schichtwechsel um 22 Uhr den stellvertretenden Chef, ob er noch bleiben könne, bis sich die Situation beruhigt habe. Dieser verneinte und gab an, in dringenden Fällen erreichbar zu sein.
Ein weiterer Wärter gab zu bedenken, dass die dem Häftling entzogenen Gegenstände in der Nacht gemäss den Weisungen nicht zurückgegeben werden dürften. Darüber könne einzig der oberste Wärter entscheiden.
Bei einem anderen Wärter scheinen die Erinnerungen an die verhängnisvolle Nacht verblasst zu sein. Gemäss dem stellvertretenden Leiter wurden vor dem Fall die Regeln verschärft, womit der später verstorbene Häftling schlecht zurecht kam.
Panik beim Brandausbruch
Die Beschuldigten wurden eingehend zum Brandausbruch befragt. Der erste Wärter, der in der Zentrale sass, sah die Situation schnell als gemeistert an. Er vertraute seinen Kollegen, welche sich vor Ort ein Bild machten.
Unklar blieb auch, ob der Häftling tatsächlich schrie, dass er sich um den ersten, der es wage, seine Zelle zu betreten, «kümmern» werde. Ein Wärter wusste nicht, ob das vor oder nach dem Löschen des Feuers passiert war und brachte damit die in der Anklageschrift aufgeführte Chronologie ins Wanken.
Er sei in Panik gewesen und habe nicht die Geistesgegenwart gehabt, einen Kollegen mit einer Taschenlampe loszuschicken, um zu schauen, was in der Zelle vor sich geht, sagte der Wärter weiter. Ein Höhepunkt des ersten Prozesstages war die Befragung des Aufsehers, der nach dem Feuer den Gang betrat.
50 Sekunden für 25 Meter
Gemäss dem Staatsanwalt ging er gemächlich zur Zelle, wie auf den Überwachungsbändern zu sehen sei. Der Wärter entgegnete jedoch, dass er normal gegangen sei. Die Gerichtspräsidentin hakte nach und befand, dass es bestürzend sei, dass man 50 Sekunden brauche, um 25 Meter weit zu gehen, um zu einem Feuer zu gelangen.
Sie warf dem Beschuldigten vor, dies zu verleugnen. Der Wärter wies die Kritik zurück. Der Prozess dauert noch bis Ende November.