Der Bundesrat hat diese Woche dem Druck der Wirtschaft nachgegeben und Waffenexporte in die Golfregion erlaubt. Die Bewilligungen stehen nach Ansicht von Juristen im Widerspruch zum Wortlaut der Kriegsmaterialverordnung.
Diese verbietet den Export von Rüstungsgütern in Staaten, die «in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt» verwickelt sind. Damit will der Bundesrat in erster Linie ausschliessen, dass Schweizer Waffen in Bürgerkriegsländern zum Einsatz kommen.
Streng genommen verbietet die Verordnung aber Waffenexporte in alle kriegsführenden Länder – also auch nach Deutschland, Frankreich oder in die USA. Allein in diese drei Staaten hat die Schweiz 2015 Waffen im Wert von insgesamt 164 Millionen Franken exportiert.
Am Mittwoch bewilligte der Bundesrat den Verkauf von Ersatzteilen und Geschossen für Fliegerabwehrkanonen nach Saudi-Arabien, Panzerhaubitzen-Komponenten in die Vereinigten Arabischen Emirate und Baugruppen für Tiger-Kampfjets nach Bahrain. Alle diese Länder führen derzeit Krieg in Jemen, sind also in einen internen Konflikt verwickelt.
Leider unvollständig
Dieses Ausschlusskriterium komme nur dann zur Anwendung, «wenn im Empfängerland selber ein interner bewaffneter Konflikt herrscht», schreibt das für Rüstungskontrolle zuständige Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Für Evelyne Schmid von der Universität Basel ist das keine mögliche Interpretation. «Der Wortlaut der Verordnung enthält kein territoriales Kriterium», sagt sie.
Dazu schreibt das Seco: «Es ist leider bei Gesetzen und Verordnungen zuweilen so, dass der Wortlaut alleine nicht den Sinn der Bestimmung vollständig wiedergibt.» Tatsächlich erlaubt das Bundesgericht, Erlasse entgegen ihrem klaren Wortlaut auszulegen.
Es verlangt aber, dass «triftige Gründe» dafür bestehen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Triftige Gründe könnten sich aus der Entstehungsgeschichte, aus Sinn und Zweck der Vorschrift und aus dem Zusammenhang mit anderen Gesetzesbestimmungen ergeben.
Druck der Wirtschaft
Für den Bundesrat spielten auch wirtschaftspolitische Gründe eine Rolle. Nach der Militärintervention der saudisch geführten Koalition in Jemen im März 2015 hatte die Regierung ein Exportmoratorium beschlossen. Bestellungen im Wert von mehreren hundert Millionen Franken waren blockiert. Die Industrie machte in der Folge Druck und fand beim ehemaligen Swissmem-Präsidenten Johann-Schneider Ammann ein offenes Ohr.
Nach monatelangen Auseinandersetzungen mit Aussenminister Didier Burkhalter setzte der Volkswirtschaftsminister am letzten Mittwoch durch, dass gewisse Rüstungsgüter in die Golfregion exportiert werden dürfen.
Nicht erlaubt hat der Bundesrat die Lieferung von Waffen, bei welchen es Grund zur Annahme gibt, dass sie im Jemen-Konflikt oder im Empfängerstaat gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden. Damit berücksichtigt der Bundesrat zwar eine andere Bestimmung der Verordnung. Laut Schmid lassen sich die bewilligten Exportgesuche damit aber nicht rechtfertigen.
Anpassung im Zuge von GSoA-Initiative
Der Entscheid des Bundesrats, sich über den Wortlaut der Verordnung hinwegzusetzen, lässt sich mit Blick auf deren Entstehungsgeschichte verstehen. Im Oktober 2007 hatte die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) die Initiative «für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten» eingereicht.
Um dieser den Wind aus den Segeln zu nehmen, fügte der Bundesrat 2008 die einschränkende Bestimmung in die Kriegsmaterialverordnung ein. Der Streit um die Auslegung der Kriegsmaterialverordnung ist nicht neu: Auf Schmids Initiative hatten rund 70 Rechtsprofessorinnen und Rechtsprofessoren und andere Experten 2009 einen offenen Brief an die damalige Volkswirtschaftsdirektorin Doris Leuthard gerichtet – zur Klärung «juristischer Missverständnisse».
In dem Schreiben legten sie dar, dass der Export von Waffen in Länder, die in die Konflikte in Afghanistan oder Irak verwickelt sind, «im Widerspruch zur geltenden Kriegsmaterialverordnung» steht. Gemäss internen Quellen vertrat das Aussendepartement EDA diese Haltung auch im Bezug auf den Jemen-Konflikt. Der Bundesrat hat nun anders entschieden. Eine Beschwerdemöglichkeit gegen eine erteilte Bewilligung ist nicht möglich.