Die grösste französische Oppositionspartei UMP versinkt wegen eines beispiellosen Machtkampfes um die Nachfolge von Nicolas Sarkozy im Chaos.
Ex-Premierminister François Fillon und der langjährige Generalsekretär Jean-François Copé erklärten sich jeweils zum Sieger. Beide Lager warfen sich gegenseitig massiven Wahlbetrug vor. Manche Parteigrössen warnten sogar vor einer Spaltung der UMP.
Die Wahlkommission der konservativen Partei war zunächst nicht in der Lage, ein Abstimmungsergebnis zu verkünden. Die Kommission hatte in der Nacht gegen 4 Uhr die Auszählung der Stimmen unterbrochen und setzte diese erst am Montagvormittag um 10 Uhr fort.
Schon kurz vor Mitternacht hatte Copé, der vom rechten Parteiflügel unterstützt wird, erklärt, er habe mit „mindestens tausend Stimmen“ Vorsprung gewonnen. Wenig später sagte der zur Parteimitte zählende Fillon, er habe 224 Stimmen mehr als sein Rivale.
Der Ex-Regierungschef räumte auch eine „schwere Störung“ beim Wahlablauf ein. „Ich bin extrem schockiert“, fügte er hinzu.
Probleme schon während der Wahl
Bereits während der Wahl am Sonntag hatte es Aufregung gegeben; viele Parteimitglieder hatten bei Schliessung der Wahllokale um 18 Uhr noch nicht gewählt, da die fast 650 Wahllokale nicht ausreichten. Manche Lokale blieben daher länger geöffnet.
Insgesamt waren rund 300’000 UMP-Mitglieder aufgerufen, einen neuen Parteichef als Nachfolger von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy zu wählen.
Nach Auszählung der ersten Stimmen zeichnete sich am späten Sonntagabend ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem 58-jährigen Fillon und dem zehn Jahre jüngeren Copé ab, obwohl Umfragen zuvor Fillon einen klaren Vorsprung vorausgesagt hatten.
Rasch kamen auch die ersten Vorwürfe von Wahlbetrug aus beiden Lagern. So hiess es aus dem Copé-Lager, in Fillon-Hochburgen wie Nizza seien mehr ausgezählte Stimmen registriert worden als Unterschriften von Wählern.
Erbitterter Wahlkampf
Trotz des Durcheinanders erklärte sich Copé am Montagmorgen erneut zum Sieger. „Ich warte gelassen, dass die Wahlkommission dies bestätigt“, sagte er dem Sender BFMTV-RMC. Auch Fillon erklärte daraufhin, er habe einen „Vorsprung“, doch sollte das Endergebnis der Auszählung abgewartet werden.
Fillon und Copé hatten sich in den vergangenen Monaten einen erbitterten Kampf um den Parteivorsitz geliefert. Fillon präsentierte sich dabei als Staatsmann. Copé setzte auf einen aggressiveren Kurs, der vielen Parteimitgliedern zu rechtslastig war.
Fillon und Copé haben beide Ambitionen auf eine Kandidatur für das Amt des Staatschefs. Der Posten des Parteivorsitzenden gilt als Sprungbrett dafür. Die nächste Präsidentenwahl findet 2017 statt. Sarkozy hatte die Wahl vor sechs Monaten gegen seinen sozialistischen Herausforderer François Hollande verloren.