Die SVP und die GLP haben 2015 mit ihren Wahlsongs den Niveau-Limbo eröffnet. Doch auch bei anderen Parteien liegen musikalische Leichen im Keller. Ein Überblick über das «Worst-of» der Schweizer Politsongs. Der Grusligste? Entscheiden Sie selbst.
Kaum haben wir das zum Fremdschämen schlechte Werbevideo für die FDP Reinach einigermassen verdaut, wird schon nachgelegt. Das Wahljahr 2015 beschert uns wieder einmal beschwingte Politsongs. Bis jetzt haben sich die GLP und die SVP die Blösse gegeben. Den Spott und damit den PR-Erfolg können die beiden allerdings nicht für sich alleine pachten: Musikalische Leichen im Keller haben alle grossen Schweizer Parteien.
1. Freiheitssong, SVP
Die SVP setzt auf Schlagerästhetik und zeigt sich gewohnt folkloristisch überhöht: Landschaftsaufnahmen, Handorgelmusik, Berner-Sennenhund-Welpen und eine heile Bergidylle sollen der Rechten Zulauf bescheren. Textlich ist das Lied allerdings uninspiriert. Passagen wie «1291 isch legendär, än angeri Zyt, isch scho lang här» sind so redundant und langweilig wie ein Sportkommentator, der anmerkt: «Beide Teams möchten heute gewinnen.» Aber der Song soll ja keinen Preis gewinnen, sondern Stimmen. Das SVP-Kader zeigt sich also von seiner ausgelassensten Seite. Von Partei-Übervater Christoph Blocher bis Albert Rösti, alle haben sie sich getroffen, um dem «Volch» ein frohes Lied darzubringen. Wer ganz genau hinschaut, kann sehen, wie Toni Brunner ab Minute 2:22 verschmitzt in die Kamera zwinkert. Da lacht das Wählerherz!
Es existiert übrigens bereits eine verbesserte Version dieses Schweizer Sommerhits 2015. Lustig besonders für all jene, die bereits von Anfang an fanden, dass «Willy» nicht der vorteilhafteste Name für das neue Maskottchen ist.
2. Beat Flach, GLP
Beat Flachs Lied für die Grünliberalen begibt sich in seichte Gewässer. Aufnahmen von Entli, Schwänen und Flach selbst, wie er barfuss durch einen Bach watet, sollen die Naturverbundenheit der Partei betonen, Szenen aus dem Alltag eines Politikers in Bundesbern Professionalität vermitteln. Die Kameraführung ist statisch, passend zum Humorpotenzial des Clips. Würde Peach Weber Politik machen, das Ergebnis wäre in etwa so.
3. Anian Liebrand, JSVP
Schon 2011 begab sich Anian Liebrand mit dieser Sprechgesang-Nummer auf Stimmenfang. Getreu der Parteilinie sang er von Freiheit, Unabhängigkeit, Überfremdung, unachtsamen Linken und plädierte für eine «Schweiz in Schweizerhand». Verpackt in eine Mischung aus Rap, angehaucht mit HC-Einflüssen, wiederholt er diese Nachricht stoisch drei Minuten lang. Gnadenlos scheppert dazu der Hi-Hat-Beat im Hintergrund. Meisterhaft produziert ist auch das dazugehörige Video. Vor einer nächtlichen Kleinstadtkulisse rappt und nickt Liebrand steif in die Kamera. Dass er dabei selbst wie ein Klischeebild seiner besungenen «fremden Täter» aussieht, hat ihm wohl niemand vom Produktionsteam gesagt.
4. EVP Schweiz
Die EVP versuchte bei ihrem Parteivideo alle Peinlichkeiten zu umschiffen. Deshalb hat sie sich 2007 entschlossen, eine professionelle Sängerin zu engagieren und ein Lied und ein Video zu produzieren, welche nichts mit der Partei oder ihrem Programm zu tun haben. Carmen Fenk singt Zeilen wie «I would do anything to save this love and make it through» in einem Video, das zu 80 Prozent aus überbelichteten, verschwommenen Schwarzweissfotos besteht. Gesanglich sicher eines der besseren der Parteivideos, inhaltlich dagegen nichtssagend. Was will mir dieser Herzschmerz-Song mitteilen? Dass das Liebesglück auf dem Spiel steht, wenn nicht beide Partner die EVP wählen?
5. Anti-AKW-Song, Grüne
Stehen ein Häftling, ein Fussballer und ein Geschäftsmann auf einer Wiese vor dem AKW Mühleberg. Das könnte durchaus ein guter Witz werden. Der Spass hört nach zehn Sekunden allerdings schon wieder auf. Dann beginnt nämlich der Gesang. In feinster Protestsongmanier liefert Captain Schrumm-Schrumm die nötige monotone Melodie für den moralintriefenden Text. Das Video dazu ist in No-Budget-Endzeitfilm-Tradition gehalten. Vielleicht die Schweizer Version von «The Day After»? Oder «Mad Max»? Die 340 Franken und 60 Euro, die trotzig ins Feld geworfen und wahrscheinlich sofort panisch wieder aufgesammelt werden, – hätten auch sinnvoller investiert werden können. In ein Videobearbeitungs-Programm beispielsweise.
6. SP, «James Role»
Ist das Zorro? Nein! Ist es Tuxedo Mask? Auch nicht! Oder vielleicht James Bond? Knapp daneben! Es ist Role. James Role. Der Berner SP-Politiker Roland Näf mit der Lizenz zum Politisieren bekämpft mit der magischen Kraft der SP-Rose Börsenspekulation, Steuerungerechtigkeit und Umweltverschmutzung. Film- und personaltechnisch wurden keine Mühen gescheut – sogar eine choreografierte Tanzeinlage wurde in die Handlung eingebaut. Der klamaukige Text zeugt von der Fähigkeit zur Selbstironie, eine wichtige Eigenschaft im Wahlsongbusiness.
7. FDP Reinach
Ein Oldie zum Schluss: zeitlos, klassisch, schlecht.
Bonus: Die SVP-Oberen singen die Nationalhymne
Wer denkt, die SVP hätte mit dem Freiheitssong schon das Niveau gegen unten geeicht, kann sich hier eines Besseren belehren lassen. Beim Singen der Nationalhymne am 31. Juli am Zürcher Hauptbahnhof konnten die Politiker ihre Textsicherheit und ihren flammenden Patriotismus unter Beweis stellen. Sie zeigen zwar mehr Enthusiasmus als die Fussball-Nationalmannschaft, richtig warm ums Herz wird einem bei diesem Anblick allerdings trotzdem nicht. Es erstaunt, dass sich nicht ab und zu eine Nickhaut über die kalten, starren Augen schiebt.