In einem Kommentar bezeichnete der Autor anlässlich des Interviews der TagesWoche mit Gabriel Barell den Gewerbedirektor als Dünnrbrettbohrer, nun erklärt Matthias Scheurer, was er damit meint – anhand der «drei wichtigsten Kriterien des politischen Dünnbrettbohrens».
In einem kurzen Kommentar zum Interview mit dem Basler Gewerbedirektor Gabriel Barell zur Situation des Basler Gewerbes habe ich diesen als Dünnbrettbohrer bezeichnet und den Interviewer Andreas Schwald dafür kritisiert, dass er den Aussagen seines Gegenübers nicht mit kritischen Gegenfragen auf den Grund ging. Dieser hat mich anschliessend aufgefordert, die «pauschale Bezeichnung Dünnbrettbohrer» zu differenzieren, was ich hiermit gerne tue.
Am Beispiel von Herrn Barell möchte ich die drei wichtigsten Kriterien des politischen Dünnbrettbohrens aufzuzeichnen versuchen und dabei auch kurz darauf eingehen, weshalb ich der Ansicht bin, dass die Fragen des Interviewers dem nichts entgegensetzten beziehungsweise es gar noch beförderten.
Dünnbrettbohr-Kriterium 1: Aufbauschen
Als erstes wird beim Dünnbrettbohren ein Thema hochgefahren und aufgebauscht. Dies zieht sich wie ein roter Faden durch praktisch alle Äusserungen des neuen Gewerbedirektors, sei es gegen staatliche Gebote und Gebühren, gegen Staatsangestellte, oder wie jetzt zur «Krise» des Basler Gewerbes. Dabei wird tunlichst vermieden, das Thema oder Problem präzise zu benennen, konkret zu begründen oder mit klaren Fakten zu belegen, sondern es werden Floskeln und Vorurteile bedient und dann sogleich Schuldige benannt. Im besagten Interview wird dieses Phänomen durch eine teils belanglose, teils unpräzise Fragestellung noch akzentuiert, indem beispielsweise als Themen-Aufmacher die Schliessung eines Schuhladens herangezogen wird, bei dem es sich um eins von rund einem Dutzend absolut gleichartiger Geschäfte auf kleinstem Raum handelt, um dann – anstelle einer vertieften Fragestellung – sogleich auf den Euro/Frankenkurs zu schwenken, der, wie wohl kaum bestritten werden kann, sämtliche Schweizer KMUs betrifft, also sicher kein Basler Phänomen ist.
Dünnbrettbohr-Kriterium 2: Ablenken
In einem zweiten Schritt werden beim Dünnbrettbohren sogleich Sündenböcke und Schuldige benannt, wobei Selbstkritik tunlichst vermieden wird. Auch dies ist bei Barell archetypisch und zieht sich wie ein Mantra durch praktisch alles, was er sagt. Im vorliegenden Interview bezeichnet er daher das leidende Basler Gewerbe zuerst als überdurchschnittlich fit, schwadroniert dann von Fahrten und Quervergleichen im ganzen Land und schwenkt anschliessend vom etwas glitschigen Gelände Eurokurs direkt auf das neue Basler Innenstadt-Verkehrskonzept, die neue Tramlinie 8 nach Weil und die anstehende Debatte um die Strasseninitiative des VCS; bei den beiden ersten handelt es sich bekanntlich um Neuerungen, die im Zuge eines breiten demokratischen Prozesses eingeführt wurden und erst seit kurzer Zeit in Kraft sind, das dritte ist ein Vorstoss, der soeben erst lanciert und über den die Debatte noch gar nicht geführt wurde. Auch hier erfolgt durch den Interviewer keine vertiefende, kritische Frage, sondern es wird mit der Bemerkung «Also schlicht zu viel auf einmal» brav sekundiert und den behaupteten «Problemen» ein zusätzliches Gewicht verliehen, anstatt sie zu klären und zu hinterfragen.
Dünnbrettbohr-Kriterium 3: Argumentationsarmut
Auffallend ist beim Dünnbrettbohren sodann die zumeist vollständige Abwesenheit von stringenten Argumenten, Begründungen oder Lösungsvorschlägen, und auch darin ist Herr Barell ein Meister. Sein einziges Beispiel für die seinerzeit beklagte Vorschriftenflut war eine Regelung zur Begrenzung von Strassentischen vor Restaurants, bei der aggressiv vorgebrachten «Ineffizienz» der kantonalen Verwaltung fiel ihm gar kein Beispiel ein und auch im vorliegenden Interview ist – neben der für einen neoliberalen Marktwirtschaftler absolut absurden Forderung nach Regulierungen zum Schutz des lokalen Gewerbes – sein einziger Vorschlag die Freigabe von «Staatsangestellten-Parkplätzen» am Wochenende. Anstatt nun aber beispielsweise zu fragen, wo und wie viele solche «Staatsangestellten-Parkplätze» es gibt, wird die Behauptung vom Interviewer kommentarlos stehengelassen, um dann schnurstracks auf Herr Barells politische Ambitionen einzuschwenken, bei denen nota bene bis am Schluss nicht klar wird, ob er sie nun eigentlich hat oder nicht.
Wer ist ein Dünnbrettbohrer?
Dünnbrettbohren ist eine Taktik, die vor allem in der Politik weit verbreitet ist, und auch ich selber – ich gebe es zu – habe mich in politischen Debatten ihrer schon bedient. Ich würde deshalb bei aller (Selbst)Kritik nicht jede(n), der diese Taktik anwendet, als Dünnbrettbohrer(in) bezeichnen. Wenn aber jemand, wie im Fall von Herr Barell, bei seinen öffentlichen Auftritten nichts anderes tut als dünnbrettbohren, dann bin ich der Ansicht, dass er oder sie als Dünnbrettbohrer bezeichnet werden darf und muss. Und wenn ein(e) Journalist(in) es in einem Interview unterlässt, die Dünnbrettbohrerei mit kritischen Nach- und Gegenfragen zu unterlaufen, dann trägt er oder sie dafür eine Mitverantwortung. In diesem Sinne möchte ich meinen Versuch einer Differenzierung meiner Behauptung abschliessen und mich bedanken, im Speaker’s Corner dafür die Möglichkeit bekommen zu haben.
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Matthias Scheurer ist «kritisch solidarischer TagesWoche-Leser», Regionalsekretär vpod und SP-Politiker.
Im Speaker’s Corner publiziert die TagesWoche ausgewählte Texte und Bilder von Community-Mitgliedern. Vorschläge gerne an community@tageswoche.ch.