Bei rund jeder fünften Vogelart verzichten einige Individuen auf eigenen Nachwuchs, um Artgenossen bei der Brutpflege zu helfen. Ein Evolutionsbiologe der Uni Zürich ist dem Phänomen auf den Grund gegangen und kann nun erklären, wie es dazu kam.
Kein eigener Nachwuchs, aber den Artgenossen beim Brüten und Aufziehen der Jungtiere helfen: Dieses Phänomen des «kooperativen Brütens» ist unter Vögeln weit verbreitet. Michael Griesser von der Universität Zürich hat gemeinsam mit internationalen Kollegen Daten von rund 3000 Vogelarten ausgewertet und so herausgefunden, wie sich das Verhalten entwickelt hat: Am Anfang stand demnach das Zusammenleben in Familiengruppen, wie die Wissenschaftler im Fachblatt «PLOS Biology» berichten.
Über die Gründe für kooperatives Brüten sind sich Forschende bisher uneins, wie die Uni Zürich am Donnerstag mitteilte. Frühere Studien hatten zwei Faktoren identifiziert, die dabei eine Rolle spielen: Das Verhalten tritt demnach dann auf, wenn die Jungtiere nur schwer ein eigenes Territorium finden und wenn sie unvorhersehbar wechselhaften Umweltbedingungen ausgesetzt sind.
Den Fokus auf die Rolle der Familienverbände legten die Wissenschaftler um Griesser, weil kooperativ brütende Vogelarten immer auch in Familien zusammenleben. Es gibt jedoch auch Vogelarten mit Familienverbänden, die aber nicht als Babysitter für Artgenossen einspringen.
Evolution in zwei Stufen
Die Datenanalyse ergab, dass kooperativ brütende Vögel von Vorfahren abstammten, die bereits in Familien zusammenlebten, aber ihre Jungen nicht gemeinsam aufzogen. Daraus folgern die Forschenden, dass sich das Phänomen in zwei Stufen entwickelte.
Zunächst schlossen sich Vögel wegen begrenztem Platz in einem relativ überfüllten Territorium zu Familienverbänden zusammen. Erst im zweiten Schritt brachten wechselhafte Umweltbedingungen die Vögel dazu, die Chancen einer erfolgreichen Aufzucht von Jungen durch kooperative Brutpflege zu erhöhen.
Dieses Modell erkläre auch die geografische Verteilung der Vogelarten, die gemeinsam ihre Jungtiere aufziehen, hiess es in der Mitteilung. Diese Arten kommen gehäuft in Australien, Südafrika und im nördlichen Südamerika vor. «Diese Länder und Regionen waren dramatischen klimatischen Veränderungen ausgesetzt, was die Evolution der kooperativen Brutpflege begünstigte», fasst Griesser zusammen.