Der Bundesrat erntet von den Kommentatoren in den Medien wohlwollende Worte für seine Vorschläge zur Umsetzung der SVP-Zuwanderungsinitiative. Die Kommentatoren sind sich aber einig: Ein Befreiungsschlag war es nicht und eine neue Abstimmung ist wahrscheinlich.
Im Gegensatz zu den meisten Parteien, welche am bundesrätlichen Vorschlag kaum ein gutes Haar liessen, hat der Bundesrat aus Sicht vieler Zeitungskommentatoren in einer schwierigen Situation richtig gehandelt. «Clever gemacht, Bundesrat», lobt der Kommentator in der «Nordwestschweiz» den Regierungsvorschlag.
«Der jetzt gewählte Mittelweg im Sinne von: Jetzt schauen wir mal, was sich herausholen lässt, ist der einzig vernünftige Weg», schreibt er weiter. Da aber «wohl nichts herauszuholen» sei, müsse wahrscheinlich das Volk nochmals befragt werden, welchen Weg es denn nun beschreiten wolle.
Der «Tages-Anzeiger»-Kommentator bezweifelt auch, dass ein Ergebnis zu erreichen ist, das mit den bilateralen Verträgen in Einklang steht. «Damit wird eine neue Volksabstimmung wohl unumgänglich.»
«Direktdemokratischer Notfallschirm»
Eine Abstimmung erwartet auch der «Blick»-Kommentator, der das Vorgehen der Regierung für richtig hält: «Seien wir ehrlich: Kontingente wird die EU kaum akzeptieren. Darum braucht es den direktdemokratischen Notfallschirm. Das Volk wird sich letztlich zwischen Bilateralen und Zuwanderungsbeschränkung entscheiden müssen.»
«Die Chancen steigen, dass das Volk nochmals abstimmen muss», konstatiert auch die «Neue Zürcher Zeitung». Ihr Kommentator geht jedoch mit dem Bundesrat hart ins Gericht: Ein Jahr nach der Abstimmung habe er nichts vorgelegt, das er nicht schon «vor Monaten» hätte präsentieren können. Indem er alles abhängig mache von Gesprächen mit der EU, betreibe er zudem «Schattenboxen».
«Der Bundesrat ist gestern keinen Schritt weitergekommen», schreibt der Kommentator der «Neuen Luzerner Zeitung». Aus seiner Sicht fährt der Bundesrat eine «weiche Linie», indem er Brüssel signalisiert, dass er die Masseneinwanderungsinitiative nur dann umsetze, «falls die EU der Schweiz Sonderregeln gestattet».
Schritt für Schritt abarbeiten
Für den Kommentator der Zeitung «Bund» geht der Bundesrat politisch richtig vor, indem er einen Schritt nach dem andern tut. «Bevor an eine neue Abstimmung zu denken ist, muss der Bundesrat in Brüssel versuchen, wenigstens kleine Hebel zur Steuerung der Zuwanderung herauszuholen, vielleicht sogar eine Art Schutzklausel.» Der 9. Februar lasse sich nicht «wegzaubern», man müsse ihn «abarbeiten».
Möglicherweise könne Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga in Brüssel etwas herausholen, schreibt der Kommentator des «St. Galler Tagblatt». «Nur – innerhalb der verlangten Umsetzungsfrist von drei Jahren bleibt dies eine Illusion.» Deshalb komme es wohl zu einer neuen Abstimmung.
«Showdown» dürfte bevorstehen
Der «durchdachte und sinnvoll strukturierte» Vorschlag drohe «zu Makulatur» zu werden, da die EU kaum zu Abstrichen an der Personenfreizügigkeit bereit sein dürfte, meint der Kommentator der «Berner Zeitung» und des «Landboten». Deshalb deute viel auf einen «Showdown» hin: «Bilaterale Verträge oder Kontingente».
Positiv beurteilt auch der Kommentator des Online-Portals Watson die Bundesratsvorlage: «Das Warten hat sich gelohnt.» Nun liege ein «ausgefeiltes Konstrukt» vor, das sich «am Machbaren statt am Wünschbaren orientiert». Unberechenbar blieben nun aber die Reaktionen der SVP und der EU.