Was ist das für eine Uni?

Während des gestrigen Vortrags des Nestlé-CEOs Paul Bulcke an der Universität Basel gab es strenge Polizeikontrollen. Eine Studentin hat sich mit einem offenen Brief an uns gewandt. Was ist das für eine Uni… Der Polizei-Einsatz hat ein politisches Nachspiel: Die SP-Grossrätin Sarah Wyss hat in der «bz Basel» angekündigt, dass sie eine Interpellation zum Einsatz […]

Er kam, sprach und löste eine Polizeiaktion aus: Néstle-CEO Paul Bulcke hielt einen Vortrag an der Uni Basel.

Während des gestrigen Vortrags des Nestlé-CEOs Paul Bulcke an der Universität Basel gab es strenge Polizeikontrollen. Eine Studentin hat sich mit einem offenen Brief an uns gewandt.

Was ist das für eine Uni…

Der Polizei-Einsatz hat ein politisches Nachspiel: Die SP-Grossrätin Sarah Wyss hat in der «bz Basel» angekündigt, dass sie eine Interpellation zum Einsatz der Polizei an der Uni machen wird. Sie wolle wissen, wie viele Beamte im Einsatz standen, was er kostete und auf welcher rechtlichen Grundlage die Polizei die Personen festsetzte.

Sie sei über den «massiven Polizeieinsatz erschrocken». Dabei sei «eigentlich nur geplant, mit Kerzen und Flyern auf die Morde an Nestlé-Gewerkschaftern in Kolumbien aufmerksam zu machen», sagt  Wyss. Sie habe «drei Kastenwagen und mindestens 20 Polizisten» gezählt.

Die Polizei schreibt in einer Mitteilung, dass «mit sichtbarer Präsenz bei der Universität» dazu beigetragen habe, dass der Vortrag von Nestlé-Ceo Paul Bulcke «ruhig über die Bühne ging». Wie viele Beamte im Einsatz standen, würde aus polizeitaktischen Gründen nicht mitgeteilt. Die Polizei habe zuvor Hinweise erhalten, «dass es während einer Veranstaltung mit Nestlé-CEO Paul Bulcke zu einer Störaktion kommen könnte.»

Polizeisprecher Martin Schütz sagt, da an ähnlichen Veranstaltungen bereits solche Störaktionen vorgekommen seien, habe man den Kontakt zum Organisator gesucht und «Eingangs- und Effektenkontrollen» gemacht. Gefunden wurden bei den Kontrollen nichts, sagt Schütz. Rund ein Dutzend Personen sind aber aus dem Gebäude gewiesen worden; «eine Person brachte sie zu einer Personenkontrolle vorübergehend auf die Polizeiwache Kannenfeld».

SP-Grossrätin Wyss berichtet, dass ein Flugblattverteiler vor dem Kollegiengebäude festgenommen und zur Personenkontrolle mitgenommen worden sei. Weiter seien zwei Studierende, die im Gebäude Flyer verteilten, in einem kleinen Lehrerraum isoliert worden. (amc)

…an der bewaffnete Polizeibeamte die Eingänge kontrollieren?
…bei der man vor Betreten gefilzt wird?
…in der der CEO von Nestlé über gesellschaftliche Verantwortung referiert?

Am gestrigen Abend wurde ich in meinen Überzeugungen zutiefst erschüttert. Nicht nur gibt sich die Universität Basel als Austragungsort eines moralisch und ethisch absolut zweifelhaften Vortrags her, sondern diese Farce wird noch überwacht und kontrolliert von einem Aufgebot an Polizeibeamten, das man als Otto NormalbürgerIn nur selten erleben muss.

Ich bin absolut schockiert darüber, dass sich nicht nur linke Politiker, sondern auch Vertreter der obersten Verwaltungsebene der Universität Basel hierbei die Klinke in die Hand geben. Abgeschirmt von PolizistInnen, die jede/n BesucherIN vor Betreten der Aula komplett durchsuchen, lauschen sie den Worten eines Mannes, der für ein Unternehmen steht, das die Menschenrechte mit Füssen tritt und selbst die Vermarktung von Trinkwasser in den ärmsten Gebieten der Erde als einen Akt der Mitmenschlichkeit und ökologischen Nachhaltigkeit verkauft.

Ich lerne am selben Tag was Adorno und Horkheimer unter einer kritischen Theorie der Gesellschaft verstehen und was die Elite dieser Gesellschaft von ihren MitbürgerInnen hält: ein Sicherheitsrisiko. Alleine das Verteilen oder Präsentieren kritischer Flugblätter und ein vermeintlich verdächtiges Benehmen reichte gestern Abend aus, um von Beamten der Basler Polizei des Kollegiengebäudes verwiesen oder auf den nächsten Polizeiposten gebracht zu werden. All das, weil man «Störaktionen» vermutete, wie einer der Beamten sagte.

Wenn man bereits im Vorfeld eines Referats – wohl bemerkt nur ein Referat – «Störaktionen» vermutet und ein Geschwader von Polizeibeamten aufbietet, das in keiner Relation steht und für das jedwede Rechtfertigung und Legitimation fehlt, muss man sich ernsthaft fragen ob die Universität Basel hier überhaupt nur einen Moment lang nachgedacht hat oder ob sie hierbei nur das Prestige und die Dollarzeichen in den Augen sah. Jedem denkenden Menschen muss doch, spätestens bei diesem Polizeiaufgebot klar sein, dass man es hier mit einem Menschen und einem Unternehmen zu tun hat, dass für alles andere als gesellschaftliche Verantwortung steht. Hier hat die Universität ihre Verantwortung verpennt. Sie ist winkend und diabolisch grinsend an ihr vorbeigezogen.

Ich frage mich ernsthaft an welcher Uni ich eingeschrieben bin. Worum geht es dieser Uni? Welche Werte vertritt diese Uni und werde ich durch diese Uni vertreten? Welchen Anspruch hat diese Uni an sich selbst oder hat sie überhaupt einen, abgesehen von einem ökonomischen? Wieso prostituiert sich diese Uni? Hat sie ihre Würde verloren? Wo ist der kritische Anspruch einer unabhängigen Bildung hin?

Wo ist meine Uni hin? Das was ich gestern gesehen habe war nicht meine Uni, sondern absolut traurig und zutiefst beunruhigend.

Empört und verwirrt, K. B.

Basel, den 19.11.2013 

 

Hinweis: Auf Wunsch der Autorin haben wir ihren Namen geändert. Der vollständige Name ist der Redaktion bekannt.

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