Der König von Paris, der im 10. Final seinen 10. Titel anstrebt, gegen den Finalgiganten, der seine ersten drei Grand-Slam-Finals gewonnen hat. Nadal vs. Wawrinka: Wessen Serie hält?
Gut gelaunt erscheint Stan Wawrinka am Samstagnachmittag zum exklusiven Termin mit den Schweizer Tennisschreibern im kleinen Interviewraum 3. «Ihr sitzt da wie in der Schule», witzelt der aktuell drittbeste Tennisspieler der Welt. Er sitzt, selbstverständlich, am Lehrerpult. Wawrinka trägt ein Shirt seines Sponsors, das seine Silhouette zeigt, wie er sich mit dem Finger an die Schläfe tippt. Besser könnte es nicht passen. Der einstige Schüler, der längst zum Meister geworden ist, spricht über den bevorstehenden French-Open-Final gegen Rafael Nadal.
«Die Nervosität kommt meistens erst am Sonntag beim Einspielen ein paar Stunden vor dem Match», erklärt der 32-jährige Waadtländer. Von der Anspannung, die er gemäss eigener Aussage vor seinem zweiten (French Open 2015) und dritten (2016 am US Open) Grand-Slam-Final verspürt hatte, ist nichts zu sehen. «Im Moment fühle ich mich perfekt, auch körperlich», sagt er. Den Viereinhalb-Stunden-Krimi im Halbfinal gegen Andy Murray hat er bestens verdaut. Er wird zwar am Sonntag (Beginn des Finals um 15:00 Uhr) mehr Tennis in den Beinen haben als Nadal, der noch keinen Satz abgegeben hat, aber das wird kaum ein Faktor sein.
Nicht der Favorit
Nicht, dass es gegen das «Monster Nadal» (Originalton Wawrinka) deshalb einfach würde. Der Spanier, der am Pfingstsamstag seinen 31. Geburtstag feierte, hat im Stade Roland-Garros nur zwei von 78 Partien verloren. Neunmal stand er im Final, neunmal gewann er. «Das ist die grösstmögliche Herausforderung im Tennis», weiss auch Wawrinka. «In Paris ist gegen ihn keiner Favorit.» Das war der Lausanner aber auch in seinen ersten drei Grand-Slam-Finals nicht.
Entscheidend könnte sein, wie gut Wawrinkas einhändige Rückhand gegen Nadals Linkshänder-Vorhand funktioniert. «Wenn er hart schlägt, schlägt er wirklich hart», zeigt der Spanier viel Respekt vor dem Schweizer. «Ich muss verhindern, dass er in die Position kommt, um so hart zu schlagen.» Das sei einfacher gesagt als getan.
Es gab einmal eine Zeit, da war das nicht so. Nadal gewann die ersten zwölf Duelle mit Wawrinka ohne je einen Satz zu verlieren. Alles änderte mit dem Australian-Open-Final 2014, als der Romand gegen die damalige Nummer 1 der Welt in vier Sätzen gewann. Es war der erste Höhepunkt in Wawrinkas «zweiter Karriere», wie er es bezeichnet. 2013 hatte er Magnus Norman, den French-Open-Finalisten von 2000, engagiert. Danach setzte er zum kaum erwarteten Höhenflug an.
Die neue Stärke im Kopf
Seit diesem Triumph am Australian Open ist die Bilanz zwischen Wawrinka und Nadal mit 3:3 Siegen ausgeglichen. 2015 in Rom gewann der Schweizer auch einmal auf Sand gegen den Mallorquiner, drei Wochen später stemmte er ein erstes Mal die Coupe des Mousquetaires in die Höhe. «Der grösste Unterschied zwischen meiner ersten und meiner zweiten Karriere ist mental», erklärt der Vaudois. Deshalb auch die bezeichnende Geste an den Kopf nach vielen heissen Matches, die zu seinem Markenzeichen geworden ist. Besonders deutlich zeigt sich dies bei den Grand-Slam-Turnieren und noch ausgeprägter in den Finals. Er hat alle drei für sich entschieden, jedesmal gegen die Nummer 1 der Welt.
Diese könnte sogar für ihn in Reichweite rücken, trotz seiner Schwäche bei den «kleineren» Events. Mit einem Finalsieg würde Wawrinka erstmals auf Platz 2 der Weltrangliste vorrücken. Bei den Grand Slams hat er in den letzten zwölf Monaten sowieso am meisten Punkte von allen Spielern gewonnen – unabhängig vom Ausgang des Finals.