Wegen Abstimmung machen immer mehr Pädophile eine Therapie

Im Mai beschloss das Stimmvolk mit grosser Mehrheit, dass Pädophile nie mehr mit Kindern arbeiten dürfen. Die Initiative hat eine weitere, unerwartete Folge: Immer mehr Pädophile lassen sich therapieren.

Die Therapie soll auch künftige Delikte verhindern (Symbolbild) (Bild: sda)

Im Mai beschloss das Stimmvolk mit grosser Mehrheit, dass Pädophile nie mehr mit Kindern arbeiten dürfen. Die Initiative hat eine weitere, unerwartete Folge: Immer mehr Pädophile lassen sich therapieren.

Beim Forensischen Institut Ostschweiz (FORIO), das bis vor kurzem als einzige Institution in der Schweiz spezielle Therapien für Pädophile angeboten hat, hat die Zahl der Anfragen markant zugenommen.

«Bis zum vergangenen Jahr hatten wir rund eine Anmeldung pro Monat», sagt FORIO-Geschäftsführerin Monika Egli-Alge auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Jetzt seien es teilweise bis zu zwei Anmeldungen pro Woche. Seit das Angebot für Pädophile im Jahr 2009 eingeführt worden sei, hätten dreissig Männer die Therapie abgeschlossen. Im Moment laufen rund 35 Behandlungen.

Als Hauptgrund für die Zunahme sieht Egli-Alge die mediale Aufmerksamkeit, die das Phänomen Pädophilie durch die Abstimmung erhalten hat. «Pädophilie ist eine Störung der sexuellen Präferenz. Die Hemmschwelle, nur schon sich selbst gegenüber diese Neigung einzugestehen, ist sehr hoch. Hier hat die öffentliche Debatte zu einer gewissen Enttabuisierung beigetragen», sagte Egli-Alge.

Durch entsprechende Medienberichte hätten viele Pädophile zudem erst erfahren, dass es überhaupt Therapiemöglichkeiten gebe.

Künftige Delikte verhindern

Rund zwanzig Prozent der Therapieteilnehmer werden dem FORIO von den Behörden zugewiesen, weil sie ein Delikt begangen haben. Die grosse Mehrheit aber meldet sich freiwillig zur Behandlung, weil der Leidensdruck zu gross ist. Sie haben nach eigenen Angaben noch nie ein Kind missbraucht. «Diese Männer realisieren, dass sie sich sexuell von Kindern angezogen fühlen. Gleichzeitig wissen sie genau, dass es verboten ist, diesen Trieb auszuleben», sagte Egli-Alge.

Die sexuelle Orientierung könne man auch mit einer Therapie nicht ändern. Ziel der Behandlung sei es, eine Möglichkeit zu finden, mit dieser Neigung zu leben. Und zwar so, dass niemand anders zu Schaden komme.

Um künftige Delikte zu verhindern, werde genau abgeklärt, wo es mögliche Risikosituationen gebe. «Eine mögliche Konsequenz kann zum Beispiel sein, dass jemand nicht mehr an einem Schwimmkurs teilnimmt, weil er im Hallenbad auf zu viele leicht bekleidete Kinder trifft.» Auch der Einsatz von Medikamenten, von leicht triebhemmenden bis zur chemischen Kastration, werde jeweils geprüft.

Thematisiert werde in den Therapiesitzungen aber auch, wie Betroffene ihre Sexualität trotzdem ausleben können. «Alle sexuelle Handlungen mit Kindern sind absolut Tabu, das vermitteln wir klar. Aber es gibt durchaus eine Bandbreite von legalen Möglichkeiten, die man ausloten kann», sagt Egli-Alge.

So könne ein Pädophiler sich unter Umständen auch von einer erwachsenen, zart gebauten Person angezogen fühlen. Oder davon, dass sich die erwachsene Sexualpartnerin im Intimbereich rasiere.

Rund 20’000 Pädophile in der Schweiz

Bis zu ein Prozent aller Männer zwischen 18 und 75 Jahren haben auf Kinder gerichtete sexuelle Fantasien, besagen Studien. In der Schweiz sind demnach rund 20’000 Männer pädophil. Letztes Jahr wurden laut Kriminalstatistik über 1300 Kinder in der Schweiz Opfer von sexuellen Handlungen.

Wie viele Delikte dank einer Therapie tatsächlich verhindert werden, kann die FORIO-Geschäftsführerin nicht sagen. Dazu fehlten Untersuchungen über längere Zeit. «Wir gehen aber klar davon aus, dass dank der Therapie die Wahrscheinlichkeit sinkt, dass jemand einen Übergriff macht», sagt Egli-Alge. Damit die Wirkung aber auch langfristig anhalte, müssten Betroffene alle paar Jahre zum Wiederholungskurs.

Das FORIO könne, trotz der gestiegenen Nachfrage, genügend Therapieplätze anbieten, sagt Egli-Alge. In Einzelfällen werden aber trotzdem Anfragen abgewiesen. Zum Beispiel dann, wenn ein Mann die Meinung vertrete, Kinder könnten Sexualität mit Erwachsenen geniessen. «Wenn die grundsätzliche Einsicht und Reife fehlt, dass dies falsch ist, können wir nichts machen. Es ist brutal, aber da kommen wir mit unserem Angebot, da kommen alle Bemühungen an Grenzen», sagt Egli-Alge.

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