Nach dem Verschwinden von 43 Studenten im Südwesten Mexikos hat die Polizei weitere vier Verdächtige festgenommen. Sie hätten die Ermittler zu Massengräbern nahe der Stadt Iguala im Bundesstaat Guerrero geführt, sagte Generalstaatsanwalt Jesús Murillo Karam am Donnerstag.
Ob es sich bei den Toten tatsächlich um die verschleppten Studenten handelt, ist unklar. An verschiedenen Fundorten rund um Iguala arbeiten derzeit rund 40 Forensiker an der Identifizierung der Toten.
Vor rund zwei Wochen waren nach Zusammenstössen zwischen Studenten und der örtlichen Polizei in Iguala Dutzende junge Leute verschwunden. In fünf Massengräbern vor den Toren der Stadt entdeckten die Ermittler bereits 28 zum Teil verbrannte Leichen. Zwei Mitglieder der Verbrecherorganisation «Guerreros Unidos» räumten den Mord an 17 Studenten ein, auch Polizisten sollen in die Tat verwickelt sein.
Wegen der Tat wurden bislang 34 Verdächtige festgenommen, 26 davon Polizisten. Der Staatsanwalt des Bundesstaates Guerrero erhob schwere Vorwürfe gegen die örtlichen Sicherheitskräfte. Die Polizei sei von den «Guerreros Unidos» unterwandert, sagte Iñaky Blanco am Donnerstag.
Der Sicherheitschef der Stadt habe den Einsatz gegen die Studenten angeordnet. Offenbar übergab die Polizei die Festgenommenen anschliessend den «Guerreros Unidos». Die Hintergründe des mutmasslichen Massakers geben den Ermittlern noch immer Rätsel auf.
Chef des Juárez-Kartells festgenommen
Die mexikanische Polizei hat derweil den Chef des Drogenkartells von Juárez gefasst. Vicente Carrillo Fuentes alias «El Viceroy» sei in der Stadt Torreón im Bundesstaat Coahuila im Norden des Landes festgenommen worden, sagte der Nationale Sicherheitsbeauftragte Monte Alejandro Rubido am Donnerstag.
Am Abend wurde «El Viceroy» nach Mexiko-Stadt geflogen. Im Fernsehen war zu sehen, wie vermummte Elitepolizisten den 51-Jährigen auf einem abgesperrten Teil des Flughafens zu einem Helikopter führten. Mit diesem sollte er zur Staatsanwaltschaft für organisierte Kriminalität gebracht werden.
Gegen Carrillo Fuentes liegen fünf Haftbefehle wegen organisierter Kriminalität und Drogenhandels vor. Er war einer der meistgesuchten Verbrecher des Landes. Die mexikanische Generalstaatsanwaltschaft bot 30 Millionen Pesos (2,1 Millionen Franken) für Hinweise, die zu seiner Festnahme führen.
Drogenabhängigkeit gefördert
Auch das US-Aussenministerium hatte ein Kopfgeld von fünf Millionen Dollar auf Carrillo Fuentes ausgesetzt. Die Antidrogenbehörde DEA begrüsste die Festnahme des Kartell-Chefs. Das Juárez-Kartell habe die Gewalt in Mexiko geschürt und Drogenabhängigkeit in den USA begünstigt, sagte DEA-Direktorin Michele Leonhart.
Carrillo Fuentes hatte das Juárez-Kartell seit dem Tod seines Bruders Amado im Jahr 1997 geführt. Der legendäre «Señor de los Cielos» war bei einer plastischen Operation ums Leben gekommen, mit der er sein Äusseres verändern wollte. Mit einer eigenen Flugzeugflotte hatte der «Herr der Lüfte» den Drogenschmuggel revolutioniert und tonnenweise Kokain in die USA geschafft.
Unter Amado war Vicente Carrillo Fuentes zunächst Sicherheitschef der Bande. Die Brüder stammen wie zahlreiche mächtige Kartellchefs aus der Drogenhochburg Sinaloa im Westen des Landes. Das Juárez-Kartell ist eines der ältesten Verbrechersyndikate des Landes und beherrscht den Drogenschmuggel zwischen Ciudad de Júarez und El Paso in den USA. Die Bande konkurriert vor allem mit dem mächtigen Sinaloa-Kartell um Einfluss und Schmuggelrouten.
Mehr als zehntausend Menschen wurden in den vergangenen acht Jahren im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen in Ciudad Juárez getötet.
Allianz der Kartelle
Ihre guten Beziehungen zu den Sicherheitskräften und Politikern sowie Allianzen mit bewaffneten Gruppen wie den Aztecas und La Linea liess sie ihre Position allerdings behaupten. Im Kampf gegen das Sinaloa-Kartell verbündete sich die Bande zuletzt mit den Verbrechersyndikaten Beltrán Leyva und Los Zetas.
Zuletzt hatten die mexikanische Sicherheitskräfte eine Reihe prominenter Drogenbosse festgenommen: Erst in der vergangenen Woche fassten sie Héctor Beltrán Leyva, Chef des gleichnamigen Kartells. Im Februar war ihnen der legendären Boss des Sinaloa-Kartells, Joaquín «El Chapo» Guzmán, ins Netz gegangen. Nach Einschätzung von Experten schwächen die Festnahmen die kriminellen Organisationen allerdings nicht dauerhaft.