Die Wettbewerbskommission (Weko) warnt vor einer Schwächung der von ihr ausgeübten Aufsichtsfunktion bei Beschaffungen in Kantonen und Gemeinden. Zu einer Revision der Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen meldet sie darum Bedenken an.
Die Weko ist heute von Gesetzes wegen dazu verpflichtet, darüber zu wachen, dass Kantone und Gemeinden die Beschaffungsregeln einhalten. Sie kann Gutachten erstellen und Empfehlungen abgeben, aber auch Beschwerden gegen Vergabeentscheide führen und so gerichtliche Überprüfungen von Beschaffungen verlangen.
Zur Revision der Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB) lief bis am letzten Freitag eine Vernehmlassung. Die Revision drohe diese Aufsichtsfunktion zu schwächen, gibt die Weko dazu zu bedenken.
Zurückhaltend und gezielt
Denn künftig solle das Beschwerderecht nicht mehr im Bundesrecht verankert sein, sondern in der Interkantonalen Vereinbarung. Und gemäss Entwurf wären neu die Weko oder das Interkantonale Organ für das öffentliche Beschaffungswesen (InöB) zu Beschwerden berechtigt.
Weder auf ihre Aufsichtsfunktion noch auf das Beschwerderecht will die Weko verzichten und verweist dabei auf ihre Unabhängigkeit: «Oft verzichten betroffene Unternehmen darauf, gegen unzulässige Beschaffungen vorzugehen.»
Die Firmen fürchteten Nachteile bei künftigen Vergaben und scheuten auch den Aufwand für den Prozess. Die Weko betont, dass sie das Beschwerderecht zurückhaltend und gezielt einsetze.
Die Weko stört zudem, dass Firmen gegen Beschaffungen in Kantonen und Gemeinden künftig nur noch Beschwerde führen können sollen, wenn der Auftrag einen Wert von mindestens 150’000 Franken hat. Sie verlangt eine Schwelle bei 50’000 Franken, damit auch Unternehmen, die Kleinaufträge ausführen, über Rechtsschutz verfügen.
Bauenschweiz gegen Weko-Beschwerderecht
Auch bauenschweiz, die Dachorganisation der Bauwirtschaft, lehnt den Mindestauftragswert von 150’000 Franken für Beschwerden ab. Gleichzeitig will der Verband aber nicht, dass die Weko Beschwerde erheben kann. Sollten diese Beschwerden zulässig sein, müsse das Recht dem InöB eingeräumt werden, findet bauenschweiz.
Bauwirtschaft, Gewerbeverband (sgv) und Städteverband begrüssen harmonisierte Regeln für Beschaffungen grundsätzlich. Die Wirtschaftsverbände halten fest, dass bei Beschaffungen nicht allein der Preis den Ausschlag geben dürfe. Es müsse eine breite Palette von Zuschlagskriterien berücksichtigt werden, schreibt der sgv.
Der Baumeisterverband verlangt, dass Aufträge der öffentlichen Hand nur an Firmen gehen, die sich an Gesamtarbeitsverträge halten und sowohl in wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Hinsicht nach den geltenden Standards arbeiten. Der Verband beklagte sich zudem, zur Vernehmlassung nicht eingeladen worden zu sein.
Chance für Nachhaltigkeit nicht wahrgenommen
Die Swiss Fair Trade und die NGO-Koalition öffentliche Beschaffung kritisieren, dass die Chance nicht wahrgenommen worden ist, um nachhaltige Beschaffungen gesetzlich zu verankern. Nachhaltige Entwicklung sei für Bund und Kantone nicht freiwillig. Die Westschweizer Regierungskonferenz wiederum pocht auf eine regional ausgewogene Auftragsvergabe.
Die IVöB muss – ebenso wie das Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) – an Vorgaben des revidierten WTO-Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA) angepasst werden. Die Vernehmlassung zum BöB ist 2015 geplant.