Über Geschichte und wie das Internet die Wahrnehmung von Geschichte verändert
„Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2200. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise, das mit seiner 400 Mann starken Besatzung 5 Jahre unterwegs ist, um fremde Galaxien zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. Viele Lichtjahre von der Erde entfernt dringt die Enterprise in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.“
Mit diesen Worten begann jede Folge einer der vermutlich legendärsten Fernsehserien: Raumschiff Enterprise. Am 27.05.1972 wurde die Serie das erste Mal im deutschen Fernsehen ausgestrahlt (ZDF). Für Papa war das „ein historischer Moment“.
Die Enterprise hat die Wahrnehmung von Vergangenheit und Zukunft verändert. Als Inhalt eines Mediums (dem Fernsehen), das wiederum die Wahrnehmung von Geschichte veränderte. Dass das Internet die Bedeutung von Wissen und eben auch Geschichte veränderte, ist eigentlich naheliegend. Wir leben in einer Gesellschaft, die unterdessen jährlich so viele Daten und Informationen produziert, dass man nebeneinander zwölf Bücherstapel errichten könnte, die von der Erde bis zur Sonne reichen würden. Wenn Hikaru Sulu, Steuermann der Enterprise, das Schiff im Jahr 2200 (und im Vorspann der Serie) jeweils an hunderten von Bücherstapeln zwischen Erde und Sonne hätte vorbeisteuern müssen (und ich dann schon auf der Welt gewesen wäre), dann hätte ich dies vermutlich auch als „historischen Moment“ bezeichnet.
Historischer Moment? Wirklich?
Ja, denn es gibt eben nicht nur die eine Geschichte. Es existieren in einer Gesellschaft immer viele unterschiedliche Narrative oder Geschichten. Und das taten sie auch schon vor dem Internet. Aber es ist das Internet, dass uns diese Vielseitigkeit an Geschichen (im Plural) verdeutlicht. Weil es die historischen Narrative fragmentiert und segmentiert.
Was bedeutet das?
Wenn wir im Netzt nach Raumschiff Enterpise suchen, finden wir das und das und das und das und das und das und das und das und das und das und das und das und das und noch viel mehr. Natürlich haben wir es hier mit einer erfundenden Geschichte zu tun, die nicht real existiert hat (wobei diese Aussage eigentlich erst im Jahr 2200 gemacht werden sollte). Aber googeln Sie doch mal nach „2. Weltkrieg“ oder „Wilhelm Tell“. Da findet man weit mehr als einen Auszug aus dem weissen Buch von Sarnen oder landet beim meistgelesenen Wiki-Artikel. Und schwups, ob man will oder nicht, befindet man sich plötzlich ebenfalls mitten in einem Diskurs, wie mit historischen Ereignissen oder Geschichte umgegangen wird und sieht sich zugleich auch noch damit konfrontiert, wie man selber damit umgeht.
Um was es in der Ringvorlesung Digital Media Studies in der Praxis tatsächlich ging, sehen Sie hier.
„Erklickte Geschichte. Zum Zusammenhang von Narrativität und Digitalität“
Dr. Jan Hodel