Aus Furcht vor islamistischen Terroranschlägen haben die USA am Sonntag über zwei Dutzend ihrer Botschaften in muslimischen Ländern und in Israel geschlossen. Deutschland, Frankreich und Grossbritannien machten ihre diplomatischen Vertretungen im Jemen vorübergehend dicht.
Dies teilten die Hauptstädte am Wochenende mit. Nach einer ersten Anschlagswarnung vom Freitag präzisierte das US-Aussenministerium am Sonntag, mindestens 25 Botschaften von Algerien über Ägypten bis nach Israel und Afghanistan geschlossen zu haben.
Nach Einschätzung von Sicherheitsexperten handelt es sich um eine beispiellose Reaktion auf eine mutmassliche terroristische Bedrohung. «Das ist sehr, sehr ungewöhnlich», sagte der früherer CIA-Mitarbeiter Robert Baer dem Sender CNN.
Erhöhte Wachsamkeit
Die deutsche Vertretung in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa werde am Sonntag und Montag nicht öffnen, teilte das Auswärtige Amt am Samstag mit. Auch die Schweiz passte nach einer Lageanalyse die Sicherheitsdispositive an, wie beim Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) zu erfahren war.
Im Jemen ist die Gruppe Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel aktiv. Die einheimischen Sicherheitskräfte verschärften die Vorkehrungen. Wie ein AFP-Reporter berichtete, waren bewaffnete Spezialkräfte im Einsatz, auch Panzer waren zu sehen.
«Spezifischere» Bedrohung
US-Generalstabschef Martin Dempsey sagte dem Fernsehsender ABC News, Ziel möglicher Anschläge seien «die Interessen des Westens, nicht nur der USA». Die Bedrohung sei «spezifischer» als in früheren Fällen. Die «New York Times» berichtete unter Berufung auf US-Regierungskreise, die Warnung beruhe auf abgefangener elektronischer Kommunikation zwischen Al-Kaida-Anführern.
Das Auffangen elektronischer Kommunikation ist eine Hauptaufgabe des US-Geheimdienstes NSA, dessen massive Spähprogramme US-Whistleblower Edward Snowden enthüllt hatte. Der «New York Times» zufolge deuteten Analysten und Kongressmitarbeiter an, eine Terrorbedrohung zum jetzigen Zeitpunkt sei ein guter Weg, von der Kritik an den NSA-Programmen abzulenken.
Warnung auch von Interpol
Die US-Regierung hatte am Freitag zunächst ihre Bürger vor möglichen Terrorangriffen der Gruppe Al-Kaida bis Ende August «vor allem im Nahen Osten und in Nordafrika» gewarnt. Präsident Barack Obama habe angeordnet, «alle nötigen Massnahmen zum Schutz der US-Bürger» zu ergreifen, hiess es aus dem Weissen Haus.
Angesichts der Warnungen kamen unter Vorsitz der Nationalen US-Sicherheitsberaterin Susan Rice am Samstag unter anderen Aussenminister John Kerry und Verteidigungsminister Chuck Hagel zu Gesprächen im Weissen Haus zusammen. Auch die Chefs der Geheimdienste CIA und NSA sowie der Bundespolizei FBI nahmen teil.
Am Samstag gab auch die internationale Polizeibehörde Interpol eine weltweite Sicherheitswarnung heraus. Sie forderte ihre 190 Mitgliedsländer nach mehreren von Al-Kaida unterstützten Gefängnisausbrüchen etwa im Irak, in Libyen und Pakistan zu erhöhter Wachsamkeit und koordinierten Ermittlungen auf.
Al-Kaida-Chef äussert sich zu Mursi
Bestärkt sehen sich die US-Behörden offenbar durch eine Audio- Botschaft von Al-Kaida-Chef Aiman al-Sawahiri. Er hatte am Dienstag dazu aufgerufen, «Interessen der USA und ihrer Verbündeten» weltweit anzugreifen.
In einer weiteren angeblich von ihm stammenden Botschaft vom Freitagabend wurde der Sturz des islamistischen ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi durch «Kreuzfahrer» und mit «amerikanischem Intrigenspiel» kritisiert.