Mit dem Gesetz über die Gewerbebetriebe (LIA) wollte das Tessin unter anderem Lohndumping aus dem grenznahen Italien unterbinden. Doch nun erhebt die WEKO Beschwerde gegen das LIA, weil der Marktzugang für andere Schweizer Betriebe ebenfalls eingeschränkt wird.
Zwei Verfügungen des am 1. Februar 2016 in Kraft getretenen Tessiner Gesetzes verstiessen gegen das Bundesgesetz über den Binnenmarkt (BGBM), teilte die WEKO am Dienstag in einem Communiqué mit. Die Tessiner Behörden haben laut der WEKO erst im Oktober 2016 über die Zulassungsgesuche von ausserkantonalen Handwerksbetrieben entschieden und dabei das BGBM nicht angewendet.
Bereits im vergangenen Sommer kritisierte der Dachverband Wirtschaft Uri die Tessiner Regierung für die neue Praxis. Das Gesetz führe zu einem völlig unverhältnismässigen bürokratischen Aufwand, hiess es damals. Für Urner Firmen werde es extrem kompliziert, im Tessin Arbeiten auszuführen. Die Handwerker seien praktisch blockiert.
Verwaltungsgericht soll Beschwerde prüfen
Dieser Ansicht folgt in Teilen nun auch die WEKO: Für «ausserkantonale Unternehmen» gebe es aktuell keinen raschen und einfachen Marktzugang. Deshalb wolle sie gegen zwei Verfügungen Beschwerde einlegen – sie soll durch das Tessiner Verwaltungsgericht beurteilt werden. Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts steht dann noch eine Beschwerde an das Bundesgericht offen.
Was die im Tessin aktiven italienischen Unternehmen betrifft, so merkt die WEKO an, dass sie bereits durch das Personenfreizügigkeitsabkommen dazu verpflichtet sind schweizerische Arbeits- und Sicherheitsvorschriften einzuhalten. Der Kanton Tessin habe zwar ein «legitimes Interesse» diese Vorschriften auch durchzusetzen, zugleich böten die geltenden flankierenden Massnahmen aber bereits genug Kontrollmöglichkeiten von entsendeten Arbeitnehmern in die Schweiz.
Gegenwind auch aus Graubünden
In der vergangenen Woche kritisierte auch die Bündner Regierung das Gesetz über die Gewerbebetriebe (LIA) aus dem Tessin. Es solle durch eine Regelung ersetzt werden, die mit dem «liberalen Wirtschaftskonzept unseres Landes vereinbar ist», so die Regierung. Das gegenwärtige Gesetz tangiere die Grundwerte des wirtschaftlichen Zusammenlebens wie faire Konkurrenz, gegenseitiges Vertrauen, Treu und Glauben sowie gegenseitige Akzeptanz. Ausserdem sei der bürokratische Aufwand zu hoch.
Die Bündner Regierung ist sich eigenen Angaben aber bewusst, dass die Massnahmen nicht gegen schweizerische Unternehmen gerichtet sind. Sie dienten vielmehr dazu, den Zugang italienischer Entsendebetriebe, welche die einheimischen Unternehmen sehr stark konkurrenzierten, einzudämmen.